kjz-Sprechstunde

«Unser Sohn (4) trägt noch Windeln und der Kindergarten startet bald …»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Ab Mitte August geht unser vier­jäh­ri­ger Sohn in den Kinder­gar­ten. Leider ist er in der Nacht und am Tag noch nicht trocken. Wie können wir unserem Sohn helfen, dass er möglichst schnell trocken wird?

Familie C.

Liebe Familie C.

Sie spre­chen ein heikles Thema an. Heikel deshalb, weil die Meinung vorherrscht, dass Kinder zur Sauber­keit erzogen werden können – und zwar spätes­tens bis zum Eintritt in den Kinder­gar­ten. Für einen Gross­teil der Kinder mag das zutref­fen, aber eben nicht für alle. Remo Largo wies im Rahmen der Zürcher Lang­zeit­stu­dien nach, dass rund 90 % der Kinder zu Beginn des 5. Lebens­jah­res Darm und Blase mehr oder weniger kontrol­lie­ren können. Das heisst aber auch, dass 10 % das nicht können. Kinder entwi­ckeln sich und ihre Fähig­kei­ten in ihrem eigenen Tempo. Ihnen geht das mit der Sauber­keits-Pünkt­lich­keit offen gesagt am Füdli vorbei. Die gute Nach­richt: Alle Kinder zeigen Eigen­in­itia­tive. Sie wollen trocken werden, ohne Windeln herum­lau­fen und ohne Windeln schla­fen. Wann ihnen das gelingt, ist unter­schied­lich. Genau dies stellt für viele Eltern eine Heraus­for­de­rung dar. Eben: Der Kinder­gar­ten ruft. Zwangs­trai­ning hilft nicht – das half schon früher nicht, auch wenn viele das behaup­ten.

Einige Kinder sind also zum Kinder­gar­ten­start noch nicht trocken. Das ist normal. Nicht normal ist der Druck, der für die Eltern und Kinder entsteht, wenn dieser Entwick­lungs­schritt auf sich warten lässt. Offen­bar hält sich die Devise hart­nä­ckig, wonach Kinder bis zum Chindsgi-Eintritt trocken sein müssen. Notfalls helfen Windel­pants, so dass die Lehr­per­son gar nicht viel machen muss. Unsere Erfah­rung zeigt: Das Gespräch mit der Lehr­per­son kann helfen.

Wie können Sie Ihren Sohn dabei unter­stüt­zen, trocken zu werden? Indem Sie Vorbild sind. Wenn ihr Kind Ihnen auf dem WC zuschauen will, lassen Sie das zu. Kinder sind gene­rell neugie­rig und nach­ah­mungs­be­reit. Ein Kind, das ausge­sperrt wird, lernt nichts. Topf­trai­ning miss­fällt vielen Kindern, auch sie wollen wie die Grossen auf der Toilette sitzen. Mit Sche­meli und verklei­ner­tem WC-Ring passt das bestens. Ein Kind, das signa­li­siert, dass es trocken werden will, dem der Einfach­heit halber aber trotz­dem Windeln ange­zo­gen werden, gewöhnt sich daran und das Trocken­wer­den kann sich verzö­gern.

Die eigent­li­che Kunst besteht für die Eltern also darin, die Bereit­schaft des Kindes zum Trocken­wer­den zu erken­nen, seine Eigen­in­itia­tive aktiv zu unter­stüt­zen und trotz­dem die notwen­dige Gelas­sen­heit zu entwi­ckeln, wenn dieser Entwick­lungs­schritt noch auf sich warten lässt. Dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg.

Claude Ramme, Nadine Lampar­ter und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».