Maria Stella, Geminiano, Fiamma, Fabiana und Moreno

«Wir leben beinahe klassisch»

Maria Stella und Geminiano gelten in ihrem Umfeld beinahe als Exoten, weil sich die Mutter Vollzeit um die Kinder kümmert. Mit Fiamma, Fabiana und Moreno leben die Eltern ihr Wunschmodell.

Von der modernen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Horgen ist es nicht weit zum Zürichsee. Es ist früher Abend und bereits ein wenig kühl und man könnte denken, Maria Stella und Geminiano sowie ihre drei Kinder Fiamma, Fabiana und Moreno kämen zügig vorwärts, um rechtzeitig bei ihrer Verabredung unten am Wasser zu sein. Aber in Horgen sind auch andere Menschen zu Fuss unterwegs und es scheint, als kennten sie alle entweder die Frau oder den Mann oder alle beide und sonst eben eines der Kinder. Bald wird verständlich, dass das kein Zufall ist.

Maria Stella und Geminiano sind in Horgen aufgewachsen, beide als Kinder von eingewanderten Süditalienern. Sie lernten sich als Teenager im lokalen Fussballclub kennen, ein Paar wurden sie zwölf Jahre später. Beide wollten Kinder und für beide war selbstverständlich, dass Maria Stella, die acht Jahre als Medizinische Praxisassistentin bei einem Magen-Darm-Spezia­listen gearbeitet hatte, mindestens das erste Jahr zu Hause bleiben würde. Dass diese Zeit bis heute andauern würde, war nicht von Anfang an klar. Aber dann wurde sie bereits zehn Monate nach der Geburt von Fiamma wieder schwanger, «da fängt man keinen neuen Job an», sagt die heute 33-Jährige. Weitere zweieinhalb Jahre später kam der Jüngste zur Welt, Moreno.

Maria Stella wirkt nicht wie eine Frau, die «zu Hause bleibt», wie man im Volksmund den Müttern (oder den wenigen Vätern) nachsagt, die sich Vollzeit um die Kinder kümmern. «Zu Hause bleiben» hat auch nur wenig mit dem Alltag der sportlichen und quirligen Frau zu tun. Mit leuchtenden Augen erzählt die 33-Jährige: «Sobald die beiden Mädchen am Morgen aus dem Haus sind, fängt mein Programm mit Moreno an, wir gehen beispielsweise ins Kinderturnen. Zu Mittag koche ich immer für alle Kinder. Am Nachmittag ist wieder Programm, ganz unterschiedliches; montags, da führe ich immer den MuKi-Treff durch, seit drei Jahren schon. Ich organisiere alles, wir spielen, singen, haben es lustig und gemütlich zusammen. Wir sind rund 15 Kinder und eine Handvoll Erwachsene.» Es ist eines von mehreren freiwilligen Engagements, die Maria Stellas Alltag prägen. Sie ist zudem im Elternrat des Kindergartens, trainiert die jungen Horgener Fussballerinnen, hilft bei der Kleiderbörse mit und ist in der Kirche aktiv. «Freiwilligenarbeit und insbesondere die mit Kindern empfinde ich als sehr erfüllend. Ich komme verschiedensten Menschen nahe und lerne viel über das Leben.»

Auch über die Arbeit mit Kindern habe sie viel gelernt, sagt die Engagierte, die 2017 eine Ausbildung zur Spielgruppenleiterin abschloss: «Basteln, Singen, Spielen, Konflikte lösen und so einiges über Kommunikation!» Wieder strahlt sie. Sie habe sich schon immer nicht nur Kinder gewünscht, sondern ein Leben mit Kindern, sprich möglichst viel Zeit mit ihnen verbringen zu können: «Weil ich einfach von Herzen gerne mit Kindern zusammen bin.»

Mit der Religion und alten Wertvorstellungen habe ihr Familienmodell aber wenig bis gar nichts zu tun, sagen beide Ehepartner. Dafür viel mit Wahlfreiheit, Bewusstsein und auch mit Privilegien: Maria Stella und Geminiano sprechen von Glück, dass sie so leben können, wie es ihnen entspricht, insbesondere, dass sein Einkommen dafür reicht, auch dank der Wohnsituation. Er sagt: «Ich konnte vor zehn Jahren diese 4-Zimmer-Wohnung kaufen, mit einer heute marktüblichen Miete ginge es nicht.» Sie nehmen wahr, dass sie fast die Einzigen in ihrem Umfeld sind, die dieses Modell leben, und müssen ein wenig darüber lachen, weil es doch als das «Klassische» gilt: «Eigentlich sind wir ja die Exoten. Aber gut, gibt es all die vielen Möglichkeiten hier – jede Familie sollte so leben können, wie es ihr entspricht.»

Dass sie es trotz aller Anstrengung, die ein Leben mit drei kleinen Kindern mit sich bringt, schön miteinander haben, erzählt das Paar mit den ähnlichen Bedürfnissen, «es ist aber auch wichtig, dass wir die individuellen Bedürfnisse des andern respektieren. Das ist unsere Stärke», so Maria Stella.

Ein Job muss mit der Familie kompatibel sein, nicht umgekehrt.

Auch Geminiano geniesst die Zeit mit seinen drei Kindern – und sie geniessen die Zeit mit ihm. Oft übernimmt er bereits um 17 Uhr, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt – «dann kann Maria Stella in Ruhe kochen. Am Abend hat sie ja ausserdem oft noch Termine oder geht mit einer Freundin in den Ausgang. Ich bleibe gerne zu Hause.» Die Wochenenden verbringt die Familie fast immer miteinander – nicht immer nur ganz freiwillig, so Geminiano: «Zeit für uns alleine zu haben, ist schwierig geworden, seit wir drei Kinder haben.» Es müsse also nicht unbedingt ein Viertes dazukommen. Auch kann sich Maria Stella vorstellen, wieder arbeiten zu gehen, wenn auch Moreno im Kindergarten ist. «Aber der Job muss mit der Familie kompatibel sein, nicht umgekehrt.»

Text: Esther Banz