Arne, Álvaro und Silvan

 «Wir sind doch eine ziemlich normale Familie»

Die Ingenieure Arne und Álvaro sind seit fünfzehn Jahren ein Liebespaar und seit zwei Jahren Papa und Papi von Silvan. Sie gehören zu den wohl am besten vorbereiteten Eltern im Kanton.

Silvan hat genug vom langen Sitzen auf der Couch, während seine Eltern erzählen. Er will sich jetzt bewegen! Der Zweijährige stapft munter davon. Als er stolpert und in Tränen ausbricht, eilt Álvaro (37) zu Hilfe. Später wird es Arne (41) sein, der mit dem Buben rumalbert. Nichts Auffallendes an dieser Kleinfamilie – ausser, dass die Eltern zwei Männer sind. Bald schon werden sie eine vierköpfige Familie sein: Silvan erhält einen kleinen Bruder. Das Baby wächst 9 500 Kilometer weiter westlich im Bauch einer Frau heran. Die Kalifornierin war auch schon Silvans Leihmutter.

Bei der Entstehung von Arnes und Álvaros Kindern ist viel Reproduktionstechnik involviert und man kommt nicht umhin zu sagen: Es ist kompliziert. Doch seit das Kind da ist, sagen die beiden Ingenieure, die in Zürich leben, von sich: «Wir sind eine so erstaunlich normale Familie!» Tatsächlich könnte man mit ihnen stundenlang über Entwicklungsschritte und Erziehungserkenntnisse von Kleinkindern reden: Beide Männer sind mit Haut und Haar Väter. Oder ist einer mehr Mami? Sie schauen sich kurz an und lachen. Álvaro: «Wir wollten es am Anfang nicht wahrhaben, mussten aber anerkennen, dass stimmt, was in den Elternbriefen von Pro Juventute und in anderer Fachliteratur steht: Das Kind sucht sich eine Hauptbezugsperson aus.» So sei es auch bei ihnen gewesen: «Eine Zeit lang war der eine Silvans Hauptbezugsperson, im Moment sind wir beide gerade wieder gleich wichtig», erzählt Arne.

Die beiden, seit fünfzehn Jahren ein Paar, betreuen je einen Wochentag das Kind – es ist ihnen wichtig, zu gleichen Teilen an Silvans Erziehung beteiligt zu sein. Und wenn er krank sei, bleibe einmal der eine der Arbeit fern, dann der andere. Auch hätten sie beide gleich viel Elternurlaub genommen, jeder drei Monate unbezahlt: «Wir verbrachten den ersten Monat gemeinsam mit Silvan, danach blieb zuerst der eine zwei Monate zu Hause, dann der andere. Keiner von uns hätte auf die Elternzeit verzichten wollen.» Finanzieren mussten sie den Elternurlaub trotz bestem Willen der Arbeitgeber selber – eine rechtliche Diskriminierung, die sie thematisieren. Handkehrum seien sie vielen heterosexuellen Paaren gegenüber dadurch privilegiert, dass sie beide etwa ähnlich viel verdienen. Das war mit ein Grund, weshalb beide gleich viel reduzierten: Es gab keine finanziellen Anreize, dass einer mehr arbeitet als der andere. Zu Hause kochen sie abwechselnd und beide kümmern sich mehr oder weniger zu gleichen Teilen um die Bedürfnisse des aufgeweckten Buben. Wie andere Paare, die sich die Betreuung teilen, kommen sie sich hin und wieder in die Quere. «Sich gut absprechen hilft», sagt der eine schmunzelnd. Und der andere: «Silvan weiss genau, was er bei Papa darf und was bei Papi.»

Wir haben die gleichen Themen wie Heteros. Die Umstellung nach der Geburt war für unsere Beziehung auch nicht einfach.

Es ist ihnen wichtig, dass Silvan die beiden Frauen, die biologisch seine Mütter sind – die eine als Eizellenspenderin, die andere als Schwangere, die das Kind in sich trug und zur Welt brachte –, dereinst wird kennenlernen können, wenn er das möchte. Vermutlich wird er diese bereits kennen, bevor er den Wunsch äussern kann. Wichtig ist den beiden Vätern auch, dass die Frauen in einem stabilen Land leben. Kalifornien erlaubt Leihmutterschaft schon seit vielen Jahren, «das ist dort gesetzlich sehr gut geregelt», sagt Arne. Was nicht bedeutet, dass es einfach wäre: «Der Aufwand mit all den Papieren ist immens.»

Bald ist es also ein zweites Mal so weit – die Leihmutter, mit der sie sich gut verstehen, schickt fortlaufend Fotos vom wachsenden Bauch. Silvan, den sie offen und transparent mit seiner Geschichte vertraut machen, ist zwar noch zu klein, um sich zu freuen. Und ohnehin wird es ihm erst einmal kaum gefallen, dass er die Aufmerksamkeit seiner Eltern plötzlich teilen muss. Aber das kommt in den besten Famili­en vor.

Text: Esther Banz