kjz-Sprechstunde

«Wird unser Sohn (10) gemobbt?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz-Team
Unser Sohn (10) war schon immer ein stilles Kind. Doch in letzter Zeit ist er noch ruhiger, was uns grosse Sorgen macht. Morgens hat er Mühe aufzu­ste­hen und wirkt sehr bedrückt, sobald er das Haus verlässt. Wenn er aus der Schule kommt, zieht er sich zurück und spielt stun­den­lang alleine im Zimmer. Wir haben das Gefühl, dass es ein Problem zwischen ihm und anderen Mitschü­lern in der Klasse gibt. Wenn wir ihn danach fragen, blockt er aller­dings völlig ab. Seine Lehre­rin meinte auch, er mache in letzter Zeit weniger mit im Unter­richt und kapsle sich ab. Was können wir tun, damit er sich uns gegen­über öffnet? Und wie sollen wir vorge­hen, falls sich heraus­stellt, dass unser Sohn gemobbt wird?
Familie Z. aus Winter­thur

Liebe Familie Z.

Sie machen sich mit Recht Sorgen – auch wenn Sie noch nicht genau wissen, was los ist. Denn auffäl­li­ger Rückzug ist in den meisten Fällen ein Zeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Wie erken­nen Sie Mobbing? Einen Teil der Symptome haben Sie bereits genannt: Betrof­fene Kinder erzäh­len kaum mehr etwas von der Schule, werden stiller, reagie­ren auswei­chend, sobald sie auf andere Kinder ange­spro­chen werden, ziehen sich in ihr Zimmer zurück oder wirken weiner­lich oder bedrückt, wenn sie zur Schule gehen sollen. Auch machen sie nicht mehr mit anderen Kindern ab oder werden nicht einge­la­den und es treten häufi­ger diffuse soma­ti­sche Beschwer­den auf (Bauch­weh, Kopfweh, Rücken­schmer­zen) oder blaue Flecken ohne plau­si­ble Erklä­rung. Die Schul­leis­tun­gen lassen oft auffal­lend nach und Schlaf­pro­bleme treten häufi­ger auf.

Um heraus­zu­fin­den, was Ihren Sohn bedrückt, könnten Sie folgen­der­mas­sen das Gespräch mit ihm suchen: „Es scheint, als hast du es im Moment nicht so gut mit den anderen…“, „Uns fällt auf, dass du in letzter Zeit bedrückt wirkst…“, „Im Moment gehst du nicht so gerne in die Schule…“. Es ist wichtig, dass Ihr Sohn dabei das bedin­gungs­lose und wert­freie Vertrauen spürt, um sich öffnen zu können, und dass er sich ernst genom­men fühlt.

Wenn in der Schule Mobbing statt­fin­det, sind Lehr­per­so­nen dieje­ni­gen, die als erste etwas bemer­ken können. Deshalb ist die Schule erster Ansprech­part­ner: Lehr­per­so­nen, die Schul­lei­tung, Schul­so­zi­al­ar­bei­tende, Schul­psy­cho­lo­gin­nen und -psycho­lo­gen oder allen­falls die Schul­pflege. Zum Glück wird heute im schu­li­schen Umfeld sensi­bler reagiert. Denn Mobbing ist ein Grup­pen­phä­no­men: Die Gruppe oder die Mitläu­fer machen Mobbing im Prinzip erst möglich. Daher muss das Problem in der Gruppe gelöst werden. Dabei geht es nicht darum, den oder die Mobber zu bestra­fen. Das führt nur zu Rache­ge­füh­len und verschlim­mert die Situa­tion für das gemobbte Kind.

Sie dürfen oder sollen aktiv werden. Wovon ich Ihnen aber abrate, ist, mit den Eltern der mobben­den Kinder in Kontakt zu treten. Diese Eltern machen nämlich in der Regel das Natür­lichste auf der Welt: Sie nehmen ihr Kind in Schutz („Das kann nicht sein, dass mein Engel …“) – und recht­fer­ti­gen so indi­rekt dessen Verhal­ten. Verab­re­den Sie besser einen Termin mit der Lehr­per­son, schil­dern Sie die Situa­tion und disku­tie­ren Sie gemein­sam, was Ihrem Sohn helfen könnte.

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Sohn eine rasche Klärung und Beru­hi­gung der Situa­tion. Sollten Sie Hilfe und Unter­stüt­zung ausser­halb der Schule benö­ti­gen, können Sie sich jeder­zeit ans kjz wenden.

Claude Ramme (Erzie­hungs­be­ra­ter) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».