Trotzreaktionen von Kindern (2/4)

«Ich will mehr Schokolade!»

Wenn Kinder Nein sagen und dieses Verhal­ten sich nicht mit den Vorstel­lun­gen ihrer Eltern deckt, beginnt oft ein emotio­na­ler Kraft­akt für alle Betei­lig­ten. In unserer vier­tei­li­gen Serie beleuch­ten wir typi­sche Szenen der Auto­no­mie­phase. Wir erklä­ren die Situa­tion des Kindes und zeigen, wie Sie als Eltern sinn­voll reagie­ren.


Was passiert gerade?

Das Mittag­essen in der Familie verläuft lange ruhig und gesit­tet. Erst beim Dessert kippt beim drei­jäh­ri­gen Sohn die Stim­mung. Als er nach zwei Stücken Scho­ko­lade nach einem dritten verlangt, bekommt er von den Eltern ein «Nein» zu hören. Die Antwort der Eltern ist der Start­schuss für eine thea­tra­li­sche Einlage des Sohns. Er schreit und schlägt seine Fäust­chen beherzt auf den Tisch.

Illustration einer Mutter und eines Vaters mit Gedankenblase. In der Gedankenblase steht: Streng sein oder nachgeben? Egal, wie wir entscheiden, es ist unbefriedigend.

Die Perspek­tive des Kindes

Für das drei­jäh­rige Kind ist die Situa­tion emotio­nal aufge­la­den. Es hat sich auf das Dessert gefreut. Als es noch ein drittes Stück Scho­ko­lade möchte, trifft das «Nein» der Eltern es völlig unvor­be­rei­tet. Für Erwach­sene mag diese Reak­tion über­trie­ben wirken, doch für das Kind ist das Verbot ein grosser Frust­mo­ment. Es versteht noch nicht, warum es nicht einfach weiter­es­sen darf, obwohl es das so sehr möchte. In seinem jungen Alter kann es seine Gefühle noch nicht gut regu­lie­ren oder in Worte fassen. Statt­des­sen reagiert es impul­siv, mit Schreien und körper­li­chem Ausdruck, um seinem Ärger Luft zu machen.

Weshalb reagiert das Kind so?

  • Gefühls­stürme ohne Filter
    Klein­kin­der erleben Emotio­nen sehr inten­siv und haben noch nicht die Fähig­keit, diese zu kontrol­lie­ren oder ange­mes­sen auszu­drü­cken. Wenn sie etwas wollen und es nicht bekom­men, kann das wie ein Welt­un­ter­gang wirken.
  • Begrenz­tes Verständ­nis für Regeln
    Ein Nein erscheint einem drei­jäh­ri­gen Kind oft unlo­gisch oder will­kür­lich. Es versteht noch nicht, warum es beim Dessert eine Grenze gibt, dass zu viel Scho­ko­lade unge­sund ist, beson­ders wenn es vorher ruhig am Tisch sass.
  • Entwick­lung von Selbstbestimmung
    In der Auto­no­mie­phase probie­ren Kinder ihre eigenen Entschei­dun­gen und ihren Willen aus. Ein Verbot von aussen fühlt sich für sie wie ein Eingriff in ihre Selbst­stän­dig­keit an.
  • Über­for­de­rung durch Enttäuschung
    Das Kind kann die starke Enttäu­schung nicht in Worte fassen. Es fühlt sich über­for­dert und reagiert mit einem Wutaus­bruch, um diesen inneren Span­nungs­zu­stand zu verar­bei­ten.

Wie Sie als Eltern reagie­ren könnten

  • Bleiben Sie ruhig und bei Ihrem Entscheid.
    Auch wenn das Kind schreit, sollten Sie ruhig bleiben. Sie können Verständ­nis zeigen («Ich sehe, dass du enttäuscht bist») und gleich­zei­tig bei Ihrer Entschei­dung bleiben («Aber heute gibt es nur zwei Stücke Scho­ko­lade»).
  • Benen­nen Sie die Gefühle Ihres Kindes.
    Es hilft, dem Kind zu zeigen, dass seine Gefühle okay sind: «Du bist wütend, weil du noch mehr möch­test. Das verstehe ich.» So lernt es, seine Emotio­nen einzu­ord­nen.
  • Nehmen Sie nach dem Sturm Kontakt auf.
    Schaf­fen Sie eine liebe­volle Verbin­dung zu Ihrem Kind, sobald sich die Situa­tion beru­higt hat – zum Beispiel durch eine Umar­mung oder ein Gespräch. So lernt es, dass nach einem Wutan­fall die Bezie­hung zu den Eltern stabil und sicher bleibt.