kjz-Sprechstunde

«Ich habe Schuldgefühle. Geht es anderen Müttern auch so?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Fach­team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz-Team
Wir haben zwei Kinder (3½ und 9 Mt.). Das ältere ist ein hoch­sen­si­bles Mensch­lein. Das jüngere kommt oft das emotio­nale Chaos des älteren ab (Kratzen, Hauen), obwohl wir Eltern versu­chen, es davor zu schüt­zen. Diese Situa­tion belas­tet mich sehr. Nun kommt die Einge­wöh­nungs­zeit dazu, die mir nochmal viel Orga­ni­sa­tion und Energie abver­langt. Woher ich die Ruhe dafür nehmen soll, ist mir im Moment nicht klar.
Ich bin zwar nicht allein, trage aber für diese Aufga­ben die Verant­wor­tung. Und ich bin nicht gerade stolz, zur Unter­stüt­zung fast täglich die Gross­el­tern um mich zu haben.
Hie und da kommt ein Tag, an dem ich von meinen Werten abwei­che und nicht so reagiere, wie ich es von mir erwarte. Ich fühle mich dann schlecht, habe Schuld­ge­fühle und glaube, versagt zu haben. Komisch, dass wir Frauen da so leid­voll fühlen.
Können Sie mir ein paar kraft­schen­kende Gedan­ken geben, meine Situa­tion analy­sie­ren und mich beru­hi­gen, dass ich nicht allein bin mit meinem schlech­ten Gewis­sen?

Liebe Mutter

Ich höre in Ihren Worten sehr viel Liebe und Verant­wor­tungs­ge­fühl – aber auch eine unglaub­li­che Last, die Sie tragen. Sie sind nicht allein mit diesen Gedan­ken. Sehr viele Eltern plagen ein schlech­tes Gewis­sen und das Gefühl, nicht dem eigenen inneren Anspruch gerecht zu werden. Viel­leicht nehmen Sie zusätz­lich noch hohe Ansprü­che an Ihre Rolle als Mutter aus Ihrem Umfeld wahr?

Sie haben zwei kleine Kinder, eines davon hoch­sen­si­bel. Sie sind derzeit sehr gefor­dert. Dabei versu­chen Sie, allen gerecht zu werden und die Bedürf­nisse Ihrer Kinder im Blick zu haben. Kein Wunder, dass Sie sich erschöpft fühlen. Ihr Wunsch nach Ruhe ist sehr nach­voll­zieh­bar und notwen­dig – und gleich­zei­tig scheint es, als wüssten Sie nicht, wo Sie sie finden können. Selbst­für­sorge und das Erfül­len der eigenen Bedürf­nisse gehören zur Eltern­schaft dazu! Sie können nur geben, wenn Sie sich selbst kleine Frei­räume schaf­fen. Viel­leicht erlau­ben Sie sich in einem ersten Schritt, dass Sie nicht alles «schaf­fen» müssen und dass ein «gut genug» ausreicht? Könnten Sie einen Moment am Tag einbauen, nur für sich? Ein bewuss­ter Atemzug, eine Tasse Tee, ein kurzer Spazier­gang, ein Tele­fo­nat mit einer Freun­din oder eine Runde Sport – ein Moment, in dem Sie nicht die Verant­wor­tung tragen, sondern diese anderen über­las­sen?

Die Vorstel­lung, dass andere alles hinbe­kom­men, ist eine Illu­sion. Alle Eltern kennen Heraus­for­de­run­gen und haben ihre eigenen Schwie­rig­kei­ten, nur sind diese von aussen nicht immer sicht­bar. Versu­chen Sie, weniger streng mit sich zu sein und sich weniger mit anderen Eltern zu verglei­chen. Hierbei könnte Sie auch eine Bera­tung im kjz in Ihrer Nähe oder viel­leicht eine Thera­pie unter­stüt­zen?

Ihre Kinder können nur davon profi­tie­ren, dass sie eine gute Bezie­hung zu den Gross­el­tern leben können. Es ist keine Schwä­che, Unter­stüt­zung anzu­neh­men – es zeugt viel­mehr von Ihrer Kompe­tenz!

Ihre Ansprü­che an sich sind hoch, Sie geben viel. Das zehrt! Viel­leicht können Sie sich heute selbst sagen: «Ich bin gut genug. Ich liebe. Ich gebe mein Bestes.» und sich dabei auf die Schul­tern klopfen? Denn Sie machen das toll!

Malin Eisen­ring (Sozi­al­ar­bei­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».