«Mama, warum ist Layla schwarz?»

Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Rassismus

Kinder fragen viel, wenn der Tag lange ist. Aber manche Themen soll man, auch wenn es keine leichte Kost ist, nicht umgehen. Rassis­mus, Diskri­mi­nie­rung und Vorur­teile sind solche Themen. Gerade weil sie nicht einfach sind, sind sie umso wich­ti­ger. Und Eltern können sehr viel Gutes errei­chen, wenn sie geschickt an die Sache ran gehen.

Wohl nur die aller­we­nigs­ten Menschen in der Schweiz würden sich selbst als Rassis­ten bezeich­nen. Und dennoch exis­tiert Rassis­mus in unserer Gesell­schaft als etwas alltäg­li­ches, meis­tens einfach nicht direkt an der sicht­ba­ren Ober­flä­che unserer Lebens­welt. Das hat sich in den letzten Wochen durch die auch in Europa und der Schweiz immer regel­mäs­si­ge­ren und laute­ren Black-Lives-Matter-Demons­tra­tio­nen geän­dert. Wir kommen nicht drum herum, Rassis­mus als etwas auch in unserer Mitte Reales wahr­zu­neh­men.

So wie Erwach­sene kommen auch Kinder in direk­ten Kontakt mit dem Thema. Sei es, weil sie die Demons­tra­tio­nen mitbe­kom­men, zuhause im Radio oder TV Nach­rich­ten hören oder weil es im Kinder­gar­ten oder der Schule auf dem Pausen­platz ein Thema ist. Uns Eltern stellt sich damit die Frage: Wie spre­chen wir mit unseren Kinder über Rassis­mus – und Diver­si­tät, Ungleich­hei­ten, Unge­rech­tig­keit und Diskri­mi­nie­run­gen ganz gene­rell? Eben, kein leich­tes Thema, aber ein enorm wich­ti­ges.

Die eigenen Vorur­teile prüfen

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie reagie­ren, wenn Sie mit Fremdem konfron­tiert sind? Sind Sie wirk­lich offen und tole­rant und unvor­ein­ge­nom­men? Oder gibt es, wenn auch unbe­wusst, Vorur­teile bei Ihnen? Es ist wichtig, sich das zu verge­gen­wär­ti­gen, denn Sie als Eltern sind Vorbild für Ihre Kinder. Nicht nur darin, was sie sagen, sondern auch darin, wie Sie etwas sagen, und wie Sie auf Menschen, Situa­tio­nen und Fragen reagie­ren, beein­flus­sen Ihre Kinder. Doris Frei, Erzie­hungs­wis­sen­schaft­le­rin am Marie Meier­ho­fer Insti­tut für das Kind, beschreibt das Problem im Bulle­tin Tangram der Eidge­nös­si­schen Kommis­sion gegen Rassis­mus: «Weichen Eltern Kinder-Fragen zu einem Thema aus, weil sie dieses selbst unan­ge­nehm finden, werden die Kinder das Thema eben­falls als unan­ge­nehm und unnor­mal, als ein Tabu verste­hen.»

Vom Gemein­sa­men zu den Unter­schie­den

Kinder nehmen Unter­schiede anders wahr, als Erwach­sene, unvor­ein­ge­nom­men. Sie haben noch keine Vorur­teile gelernt. Das heisst aber nicht, dass sie Unter­schiede gar nicht wahr­neh­men würden. Der Schwei­zer Psycho­loge Jean Piaget hat das in seinen Forschun­gen schon vor über 100 Jahren fest­ge­stellt. Sicht­bare Unter­schiede bedeu­ten aber nicht reale Ungleich­heit. Diese entsteht erst durch den gesell­schaft­li­chen Umgang mit Unter­schie­den. Oder einfach gesagt: Kein Mensch wird mit Rassis­mus geboren, man lernt ihn im Laufe seiner Kind­heit und Jugend – oder eben nicht.

Wenn Eltern mit ihren Kindern über Rassis­mus oder Diskri­mi­nie­rung spre­chen, ist es darum wichtig, zunächst über Gemein­sam­keit zu spre­chen und über Zuge­hö­rig­keit. Von den Gemein­sam­kei­ten kann man dann über­ge­hen zu Unter­schie­den und Diver­si­tät. Weder wir Eltern noch unsere Kinder sollen so tun, als würden sie Unter­schiede nicht wahr­neh­men, das werden wir immer. Unter­schiede zwischen Menschen und Diver­si­tät sollen aber als etwas Gutes, Berei­chern­des, Posi­ti­ves empfun­den werden. Und nicht als etwas, das uns in normal und unnor­mal, mehr oder weniger wert unter­teilt oder wovor man gar Angst haben müsste.

Die Lebens­welt der Kinder anspre­chen

Damit Kinder ein Thema als etwas Echtes wahr­neh­men und verste­hen, muss es mit ihrer unmit­tel­ba­ren Lebens­welt zu tun haben. Es ist also wichtig, dass ein Gespräch über Diver­si­tät und Rassis­mus in der Lebens­welt der Kinder veran­kert ist. Bereits in der Kita oder Krippe, spätes­tens aber mit dem Eintritt in den Kinder­gar­ten und dann die Schule, lernen Kinder Diver­si­tät und Unter­schiede kennen. Hier liegen unzäh­lige Anknüp­fungs­punkte, um den Kindern ein posi­ti­ves, offenes und angst­freies Grund­ge­fühl gegen­über allen Menschen, egal wie unter­schied­lich sie sind, zu vermit­teln.

Ein Gespräch allein reicht nicht

Mit einem oder zwei Gesprä­chen über Diver­si­tät, Gemein­sam­kei­ten und Ungleich­hei­ten und Rassis­mus ist es aber nicht getan. Damit Kinder Diver­si­tät als berei­chernd und selbst­ver­ständ­lich empfin­den, muss sie ein ganz norma­ler Teil ihres Lebens sein. Nicht nur im Kinder­gar­ten, sondern auch zuhause, in ihrem kind­li­chen Alltag, in dem Spiel­sa­chen, Puppen und Kinder­bü­cher jene Diver­si­tät reprä­sen­tie­ren, die sie auch draus­sen in der Welt erleben.

Gemein­sam lernen

Wir Erwach­se­nen meinen ja oft, wir hätten die Welt verstan­den. Als Eltern bekom­men wir das Privi­leg, die Welt, zusam­men mit und durch die Augen unserer Kinder, noch einmal neu zu entde­cken. Nutzen wir also diese Chance auch bei gesell­schaft­li­chen Themen, noch einmal einen gemein­sa­men Lern­pro­zess mit unseren Kindern zusam­men zu erleben. Eignen wir uns neues Wissen zusam­men mit ihnen an. Lesen wir Bücher, erzäh­len wir Geschich­ten, die uns und unsere Kinder in Sachen Diver­si­tät, Rassis­mus, Gleich- und Ungleich­heit und Diskri­mi­nie­rung etwas lehren.