Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-BeratungsangebotZwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr durchläuft das Kind eine entscheidende Entwicklungsphase, in der es seine Selbstständigkeit und Persönlichkeit formt. Das von den Eltern als Trotz empfundene Verhalten ist kein Zeichen von Ungehorsam, sondern ein natürlicher und wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.
Im Alter von etwa 18 Monaten beginnen Kinder, sich als eigenständige Individuen wahrzunehmen. Sie erkennen sich im Spiegel, verwenden vermehrt das Wort «Ich» und entwickeln den Wunsch, ihre Umwelt eigenständig zu erkunden. Diese sogenannte Trotz- oder Autonomiephase ist ein zentraler Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Dabei stossen Kinder in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit oft an Grenzen – sei es durch äussere Umstände, elterliche Regeln oder ihre eigenen Fähigkeiten. Wenn sie etwas noch nicht können oder ihnen etwas verweigert wird, kann dies Frustration und Wut auslösen. Da sie ihre Emotionen in diesem Alter noch nicht vollständig regulieren können, äussern sie ihren Unmut häufig durch Schreien, Weinen oder Wutanfälle.
«Trotzphase» oder «Autonomiephase»?
Der Begriff «Trotzphase» fokussiert auf das störende Verhalten und nicht auf die dahinterliegende Entwicklung. Er greift daher zu kurz. Neutraler und entwicklungspsychologisch präziser ist der Begriff «Autonomiephase». Er hebt hervor, worum es eigentlich geht: die Entwicklung von Eigenständigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Selbstverantwortung.
Ausdruck der Persönlichkeitsentwicklung
Trotzverhalten ist kein absichtlicher Ungehorsam, sondern Ausdruck der wachsenden Selbstständigkeit des Kindes und damit Teil eines gesunden Reifungsprozesses. Indem das Kind Grenzen austestet und Frustration erlebt, lernt es, mit seinen Gefühlen umzugehen – eine wichtige Grundlage für emotionale und soziale Reife.
In dieser Phase bildet sich das Ich-Bewusstsein: Das Kind erkennt eigene Wünsche, die oft im Widerspruch zu den Vorgaben der Erwachsenen stehen. Da langfristiges Denken und sprachliche Ausdrucksfähigkeit noch begrenzt sind, entstehen leicht Situationen, in denen sich das Kind überfordert oder unverstanden fühlt. Intensive Gefühlsausbrüche sind dann oft die Folge – für Eltern sichtbar und empfunden als Trotzanfälle.
Der Blick hinter das kindliche Verhalten
Ein tieferes Verständnis für die Beweggründe des Kindes hilft, das Verhalten nicht persönlich zu nehmen. Was nach Widerspruch oder Widerstand aussieht, ist in Wahrheit ein Versuch, sich selbst zu behaupten. Kinder wollen in dieser Phase nicht einfach gehorchen, sondern erleben sich als aktiv Handelnde. Sie möchten mitentscheiden, mitgestalten, ausprobieren. Gerade diese Erfahrungen sind bedeutsam, um ein stabiles Selbstwertgefühl und ein realistisches Bild der eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.
Zwischen Herausforderung und Chance
Die Autonomiephase ist für Eltern oft eine Zeit der Erschöpfung. Das Verhalten des Kindes wirkt unberechenbar; scheinbar harmlose Situationen eskalieren schnell. Doch genau darin liegt auch eine Chance: Eltern können lernen, ihr Kind neu zu sehen – nicht als trotzig und frech, sondern als eigenständige Persönlichkeit mit starkem Willen.
Das Kind befindet sich während der Autonomiephase in einem intensiven Lernprozess. Es testet Grenzen, erlebt seine Wirkung auf andere und sammelt wichtige Erfahrungen im Umgang mit Frust und Konflikten. Diese Auseinandersetzungen fördern Selbstvertrauen und Verantwortungsgefühl. Gerade jetzt braucht das Kind Eltern, die mit Ruhe, Klarheit und Einfühlungsvermögen reagieren. Eine natürliche, souveräne Autorität vermittelt Sicherheit. Wer den kindlichen Wunsch nach Autonomie respektvoll begleitet, stärkt nicht nur die Beziehung zum Kind, sondern legt auch den Grundstein für eine gesunde emotionale Entwicklung.
 
        	
	
	
	
	 
        	
	
	
	
	