Erschöpfung bei Müttern

Warum Sie als Mutter nicht immer funktionieren müssen und was helfen kann

Mutter­sein berührt, fordert heraus und kann erschöp­fen. Beson­ders dann, wenn man den Eindruck hat, alles allein stemmen zu müssen. Wer für sich selbst sorgt, bleibt stark und kann den Heraus­for­de­run­gen des Fami­li­en­all­tags besser begeg­nen.

Wer ein Baby oder Klein­kind hat, erlebt inten­sive, berüh­rende, aber auch heraus­for­dernde Zeiten. Zwischen schlaf­lo­sen Nächten, dem neuen Alltag mit Baby und kaum einer Pause zwischen­durch geraten viele Mütter an ihre Grenzen. Die Belas­tung beginnt oft leise. Einige spüren eine innere Unruhe, die nicht mehr weggeht, selbst wenn das Baby endlich schläft. Andere sind ständig müde, gereizt oder antriebs­los. Oft kommen Schuld­ge­fühle hinzu, weil sich die Freude am Baby nicht so einstellt, wie man sich das während der Schwan­ger­schaft vorge­stellt hat. «Viele Mütter denken, sie müssten vom ersten Tag an glück­lich sein. Wenn das nicht so ist, zwei­feln sie an sich selbst», erklärt Patri­cia Zgrag­gen, Mütter- und Väter­be­ra­te­rin im kjz Pfäf­fi­kon. Das Problem: Wer lange schweigt und die Erschöp­fung unter­drückt, riskiert, dass sie sich verschärft bis hin zu Depres­sio­nen oder Angst­stö­run­gen. Dabei ist gerade das früh­zei­tige Anspre­chen sehr wichtig, um Hilfe anzu­neh­men und wieder Kraft zu tanken.

Was führt zu Erschöp­fung?

Die Gründe für Erschöp­fung sind viel­fäl­tig. Ein zentra­ler Auslö­ser ist das Ideal­bild der «perfek­ten Mutter» und der Druck der Gesell­schaft. Das Fami­li­en­le­ben soll harmo­nisch, erfül­lend und schön sein. Doch die Reali­tät sieht oft anders aus. «Viele stellen fest, dass sie sich das ganz anders vorge­stellt haben. Sie fühlen sich nutzlos oder unzu­frie­den, obwohl sie einen unglaub­lich wich­ti­gen Job machen», so Patri­cia Zgrag­gen. «Sie wickeln, stillen, trösten – und doch haben sie am Abend das Gefühl, nichts gemacht zu haben.»

Viel­leicht hat man ein sehr unru­hi­ges Kind, das sich nicht so einfach beru­hi­gen lässt. Hinzu kommt das Gefühl, man mache etwas falsch, man genüge nicht. Und dann das Umfeld natür­lich. Was habe ich für einen Partner? Können wir uns gewisse Dinge teilen? Habe ich Eltern, die uns unter­stüt­zen? Kann ich über meine Gefühle spre­chen? «Das alles hat einen sehr grossen Einfluss, ob es zu einer Erschöp­fung kommt oder ob sie abge­wen­det werden kann», erklärt Patri­cia Zgrag­gen.

Weitere Belas­tun­gen:

  • der eigene Anspruch
    Permanentes Mitden­ken, das Jonglie­ren zwischen Job und Kinder­be­treu­ung, der Druck, allem gerecht werden zu müssen
  • soziale Isola­tion
    Viele Kontakte zu Perso­nen im Freun­des- und Bekann­ten­kreis brechen nach der Geburt weg.
  • fehlende Unter­stüt­zung
    Nicht jede Familie kann auf Mithilfe durch Gross­el­tern, durch Freun­din­nen, Freunde oder Bekannte zählen.
  • Vergleichs­druck
    Vor allem in den sozia­len Medien wirken andere Mütter oft souve­rän, da sie nur die schönen Seiten zeigen. Das verun­si­chert zusätz­lich.

Woran erkenne ich, dass ich erschöpft bin?

Es gibt Warn­si­gnale, die ernst genom­men werden sollten:

  • Schlaf­pro­bleme, selbst wenn das Kind schläft
  • Appe­tit­lo­sig­keit oder unre­gel­mäs­si­ges Essen
  • keine Freude am Alltag oder am Kind
  • Rückzug, Isola­tion, das Gefühl, nichts mehr zu schaf­fen
  • Schuld­ge­fühle und Selbst­zwei­fel
  • Angst oder Panik­at­ta­cken
  • Gedan­ken, nicht mehr weiter­ma­chen zu wollen

Was hilft gegen Erschöp­fung?

  • Darüber spre­chen und sich Hilfe holen
    «Weg vom Tabu hin zum Gespräch», sagt Patri­cia Zgrag­gen. Mütter sollen wissen: Es ist okay, sich nicht okay zu fühlen. Reden hilft, ob mit Freun­din­nen, mit dem Partner oder mit Fach­per­so­nen. Die Mütter- und Väter­be­ra­tun­gen der kjz im Kanton Zürich sind eine gute erste Anlauf­stelle. Auch Haus­ärz­tin­nen, Hebam­men oder Psycho­lo­gen können weiter­hel­fen.
  • Sich kleine Inseln schaffen
    Mütter brau­chen «Räume», in denen sie für sich sein und wieder auftan­ken können: sei es ein paar Stunden ohne Kind, allein einkau­fen gehen, ein Besuch beim Coif­feur oder einfach den Lieb­lings­song hören. Unter­stüt­zung kann auch heissen: Die Gross­el­tern, Freun­din­nen oder Freunde kochen vor oder der Partner über­nimmt die Morgen­rou­tine.
  • Sich selbst weniger unter Druck setzen
    Mütter müssen nicht alles im Griff haben. Das Kind muss nicht durch­schla­fen. Und ganz wichtig, man darf sagen: «Ich kann nicht mehr.»
  • Weiter­hin soziale Kontakte pflegen
    Manche Mütter fühlen sich nach der Geburt isoliert, da sie nicht mehr so viele soziale Kontakte haben. Früher ging man mit Arbeits­kol­le­gin­nen und Arbeits­kol­le­gen zum Lunch, traf sich nach der Arbeit zum Apéro. Diese Kontakte fallen nach der Geburt oft weg. Wer mit anderen Müttern spricht, merkt: «Es geht nicht nur mir so, ich bin nicht allein. Ich muss nicht die perfekte Mutter sein und immer alles im Griff haben.» Diese Erkennt­nis entlas­tet enorm. Selbst­hil­fe­grup­pen, Spiel­grup­pen oder Mütter­treffs können hier wert­volle Räume sein.
  • Den Einfluss von sozia­len Medien bewusst reflektieren
    Die perfek­ten Bilder, das Baby, das angeb­lich schon durch­schläft, die Mutter, die strahlt, vieles davon ist insze­niert. «Die stän­dige Infor­ma­ti­ons­flut lässt viele Mütter ihre eigene Intui­tion verlie­ren», erklärt Zgrag­gen. Besser: den Blick nach innen richten und sich fragen, was man jetzt wirk­lich braucht und was sich stimmig anfühlt.

Wo gibt es Hilfe?

Patri­cia Zgrag­gen betont: «Die meisten Mütter erholen sich sehr schnell, wenn sie früh­zei­tig Hilfe anneh­men. Oft helfen schon ein, zwei Gesprä­che mit einer Psycho­lo­gin und wir Mütter- und Väter­be­ra­te­rin­nen sind auch immer da.» Wer früh darüber spricht, sich Pausen gönnt und Hilfe annimmt, schützt sich selbst und das Kind.