Ithaka – Mentoring für Schülerinnen und Schüler

Warum wir Jugendliche beim Bewerben unterstützen

Die Lehr­stel­len­su­che erweist sich oft als schwie­ri­ges Unter­fan­gen. Das Mento­ring-Programm Ithaka der Berufs­be­ra­tung des Kantons Zürich knüpft hier an. Frei­wil­lige aus der Berufs­welt unter­stüt­zen Jugend­li­che im Bewer­bungs­pro­zess. Die Orga­ni­sa­ti­ons- und Kommu­ni­ka­ti­ons­be­ra­te­rin Sandra Escher Clauss und der Infor­ma­ti­ker und Soft­ware­ent­wick­ler Andreas Wildi­sen sind zwei davon. Im Gespräch reden sie über ihre Moti­va­tion, Schwie­rig­kei­ten sowie Erfah­run­gen, die Spuren hinter­las­sen haben.

Frau Escher Clauss und Herr Wildi­sen, Sie unter­stüt­zen beide ehren­amt­lich Jugend­li­che im Bewer­bungs­pro­zess. Was ist Ihr Antrieb dabei?
Sandra Escher Clauss:
Für mich ist es der Wunsch, etwas zur Chan­cen­gleich­heit beizu­tra­gen. Als meine Kinder in die Ober­stufe kamen, merkte ich, wie unge­recht der Berufs­wahl­pro­zess ist. Ohne gute Unter­stüt­zung vom eigenen Zuhause oder der Schule kann es für Jugend­li­che sehr, sehr schwie­rig werden. Gegen diese unver­schul­dete Ungleich­heit möchte ich etwas tun und der Gesell­schaft damit etwas zurück­ge­ben. Denn ich hatte Glück im Leben, ich finde, das verpflich­tet auch ein Stück.

Andreas Wildi­sen: Ich arbeite mitt­ler­weile seit bald zehn Jahren als Ithaka-Mentor. Was du sagst, mit der Chan­cen­un­gleich­heit, war mir zu Beginn nicht in diesem Masse bewusst. Je länger ich mit den Jugend­li­chen zusam­men­ge­ar­bei­tet habe, desto klarer wurde mir das aber. Bei den einen sind Kontakt und Zugang zur Gesell­schaft, zum System, zu den Lehr­stel­len einfach da, bei den anderen fehlen sie. Dabei ist der Über­gang ins Berufs­le­ben so ein wich­ti­ger Schritt, in meinen Augen sogar zentral in unserem Land. Ich sah das auch bei mir selbst – mir ging der Knopf an der Handels­schule auf. Darüber hinaus ist es aber auch wirk­lich eine persön­li­che Berei­che­rung.

Ich habe den Wunsch, etwas zur Chan­cen­gleich­heit beizu­tra­gen.

Sandra Escher Clauss

Inwie­fern ist es eine Berei­che­rung?
AW:
Es sind tolle Begeg­nun­gen mit den Jugend­li­chen und damit auch mit einem anderen zeit­li­chen Kontext. Man lernt sie dadurch viel besser verste­hen. Und macht man das ehren­amt­lich, ist man wohl noch mit viel mehr Herz­blut dabei. Es ist mir wirk­lich wichtig, dass sie gute Anschluss­lö­sun­gen finden und ich freue mich und leide mit ihnen mit im Prozess.

Einmal habe ich ein paar Jahre später einen meiner Mentees bei der Arbeit getrof­fen. Es war ein unglaub­li­cher Zufall, ich musste für meine eigene Arbeit eine Präsen­ta­tion halten, wurde aber durch Bohr­lärm gestört. Als ich dem nach­ge­hen wollte, stelle sich heraus, dass die Lärm­quelle ein Team von Elek­tro­in­stal­la­teu­ren war, zu denen auch mein ehema­li­ger Mentee gehörte. Ihn damals im Rahmen von Ithaka zu beglei­ten, war eine grosse Heraus­for­de­rung. Er schien noch nicht wirk­lich bereit zu sein, sich auf den Prozess einzu­las­sen, war schwer für etwas zu begeis­tern, sagte mir oft ab ohne klaren Grund und meldete sich am Ende für ein zehntes Schul­jahr an. Richtig aus dem Kopf ging er mir nicht, der Fall fühlte sich nicht ganz abge­schlos­sen an. Ihn Jahre später so kompe­tent, ange­kom­men und zufrie­den zu sehen, war unglaub­lich schön. Er sprach eine ganz andere Körper­spra­che. Es bestä­tigte mir, dass ein gelun­ge­ner Berufs­ein­stieg viel bewir­ken kann.

SEC: Ich denke, es ist eine unserer ganz wich­ti­gen Aufga­ben, mit den Jugend­li­chen zusam­men heraus­zu­fin­den, ob sie über­haupt schon bereit sind. Und ihnen den Druck zu nehmen, dass sie auf Biegen und Brechen bereit sein müssen. Von den Jugend­li­chen wird verlangt, dass sie immer jünger immer höhere Anfor­de­run­gen erfül­len. Manch­mal sind sie aber einfach noch nicht so weit. Hierbei ist es in meinen Augen auch wichtig, ihnen die Zuver­sicht zu geben: Auch für dich gibt es einen Platz. In diesem Punkt können wir sie mit unserer Lebens­er­fah­rung unter­stüt­zen.

Macht man das ehren­amt­lich, ist man wohl noch mit viel mehr Herz­blut dabei.

Andreas Wildisen

Was haben Sie bisher als grösste Heraus­for­de­rung empfun­den?
AW:
Manch­mal liegen die Hürden in den über­ra­schends­ten Dingen. Beispiels­weise darin, zu merken, dass ein E-Mail mit der Bewer­bung noch im Post­aus­gang steckt und gar nicht gesen­det wurde, oder den eigenen Namen einem Gegen­über so zu nennen, dass dieser verständ­lich ist. Bei einem Jugend­li­chen stellte sich einmal heraus, dass er gar nicht wusste, wie er zu seinem Schnup­per­ort kommen sollte, da ihm die geogra­fi­schen Kennt­nisse fehlten und er sich dabei nicht alleine helfen konnte. Bei einem anderen merkte ich, dass er keine SIM-Karte hatte und so gar nicht für mögli­che Kontakt­auf­nah­men von Lehr­be­trie­ben erreich­bar war.

Am schwie­rigs­ten finde ich aber, wenn die Moti­va­tion fehlt. Es ist wahn­sin­nig schwer, wenn man für nichts Lust hat. Manch­mal merkt man so aber auch, dass die Jugend­li­chen schlicht den Kopf nicht frei für die Berufs­wahl haben. Weil sie andere, noch grös­sere Probleme haben.

SEC: Das mit der Moti­va­tion sehe ich auch so. Und hier werden wir auch mit den Grenzen unserer Rolle konfron­tiert. Unsere Aufgabe ist, die Jugend­li­chen dabei zu unter­stüt­zen, eine Zukunft aufzu­glei­sen. Dafür muss man eine Bezie­hung mit ihnen einge­hen. Gleich­zei­tig braucht es aber auch die nötige Distanz. Thera­peu­ti­sche Unter­stüt­zung gehört nicht zu unserer Rolle, obwohl wir allen­falls merken, dass hier der Bedarf am gröss­ten wäre. Beim rich­ti­gen Umgang mit diesem Dilemma halfen mir die Exper­tise und der Austausch mit der Ithaka-Leitung.

Wie sieht denn Ihre Unter­stüt­zung konkret aus?
AW:
Zu Beginn teilen uns die Jugend­li­chen ihre Ziele mit und was sie sich von uns wünschen. Darauf aufbau­end unter­stüt­zen wir sie im Prozess. Dabei sind sie alle eigene Persön­lich­kei­ten und alle funk­tio­nie­ren anders. Manch­mal sind es Dinge wie Inter­views üben, Dossiers prüfen oder erstel­len. Manch­mal fehlt es an grund­sätz­li­cher Struk­tur. Manch­mal hilft es, ihnen bewusst zu machen, wie ihre Bewer­bung bei einem Empfän­ger ankom­men könnte.

SEC: Ihnen Feed­back zu geben, finde ich auch zentral. Und ich denke, es ist wert­voll, dass es einmal von einer ganz anderen Seite kommt. Von einem neuen, neutra­len Ort. So können sich die Jugend­li­chen von einer Seite zeigen, die viel­leicht ebenso neu für sie ist. Weil sie ein unbe­schrie­be­nes Blatt sind und nicht Rollen einneh­men müssen, die sich in der Schule oder zuhause einge­spielt haben. Auch denke ich, dass wir eine gewisse Vorbild­funk­tion einneh­men. Tele­fo­nie­ren ist beispiels­weise für einige eine riesige Heraus­for­de­rung. Ihnen vorzu­le­ben, wie man dies angehen könnte und dass viel­leicht alles gar nicht so schlimm ist, wie sie meinen, gehört für mich auch dazu.

Es ist wahn­sin­nig schwer, wenn man für nichts Lust hat. Manch­mal merkt man so aber auch, dass die Jugend­li­chen schlicht den Kopf nicht frei haben.

Andreas Wildisen

Ihr werdet also noch eine Weile als Mentor und Mento­rin weiter­ma­chen?
SEC:
Ja sicher, unbe­dingt! Viel­leicht auch lebens­läng­lich (lacht). Ganz abge­se­hen von der persön­li­chen Berei­che­rung – dass der Schritt ins Berufs­le­ben gelingt, ist enorm wichtig und die Jugend­li­chen sind unsere Zukunft. Auch volks­wirt­schaft­lich macht es sehr viel Sinn, die Schweiz hat keine Rohstoffe, alles was wir haben, ist Bildung. Und nicht zuletzt ist die Inte­gra­tion in die Arbeits­welt auch wichtig in Bezug auf die gesell­schaft­li­che Inte­gra­tion.

AW: Das sehe ich genauso. Ausser­dem ist es jedes Mal aufs Neue ein span­nen­des Aben­teuer, mit all seinen Facet­ten. Man weiss nie, was oder wer kommt, aber man hofft immer, dass es am Ende klappen wird und möchte entspre­chend alles dafür geben. Diese Moti­va­tion hört nicht so schnell auf.

Mento­ring Ithaka – Beglei­tung beim Einstieg ins Berufs­le­ben

Mento­ring Ithaka ist ein Projekt der Berufs­in­for­ma­ti­ons­zen­tren (biz) im Kanton Zürich. Das Angebot besteht seit 2006. Jähr­lich unter­stüt­zen circa 200 Mento­ren und Mento­rin­nen rund 180 Jugend­li­che aus der Sekun­dar­schule im Berufs­wahl­pro­zess. Die Zusam­men­ar­beit ist indi­vi­du­ell und dauert im Durch­schnitt fünf Monate. Mehr als 60 Prozent der Jugend­li­chen schaf­fen danach den direk­ten Einstieg ins Berufs­le­ben. Die anderen besu­chen ein Berufs­vor­be­rei­tungs­jahr, ein Moti­va­ti­ons­se­mes­ter oder ein Prak­ti­kum.