kjz-Sprechstunde

«Soll unser rebellischer, autistischer Sohn (17) mehr Freiheit erhalten, wenn es zu Hause friedlicher wird?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Fach­team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Unser 17-jähri­ger Sohn hat sich kürz­lich in den Zug gesetzt, sich 400 Kilo­me­ter entfernt gemel­det und uns mitge­teilt, dass er bei Freun­den sei. Da dies nicht abge­spro­chen war, haben wir Eltern uns auf den Weg gemacht und ihn zurück­ge­holt. Wir wollten ihm zeigen, dass wir sein Verhal­ten nicht akzep­tie­ren. Zwei Wochen später haben wir verein­bart, dass er wieder dorthin fahren darf, wenn es zu Hause fried­li­cher wird. Es ist zwar etwas besser gewor­den, aber er ist eben ein Teen­ager. Zum Ganzen muss ich sagen, dass unser Sohn ein Autist ist, aber nicht immer so wirkt. Er ist sehr intel­li­gent, kann aber Vergan­ge­nes nicht ruhen lassen.
Wir Eltern fragen uns nun, ob wir eine gute Abma­chung getrof­fen haben. Ich denke, dass es bei mir am Loslas­sen liegt, was ja auch schwer ist, wenn die Kinder selbst­stän­di­ger werden.

Liebe Eltern

Wie gut, dass Sie sich Luft machen und sich nicht scheuen, Ihre Belas­tung zu kommu­ni­zie­ren.

Zwei­fel­los ist es anspruchs­voll mit einem jungen Menschen auf dem Weg zur Auto­no­mie unter einem Dach zu leben und ihn dabei noch zu fördern. Beson­ders, wenn er spezi­elle Bedürf­nisse hat, wie dies bei Autis­mus-Betrof­fe­nen der Fall ist. Durch­at­men und durch­hal­ten ist nicht immer genug. Sie dürfen auch fordern und klar kommu­ni­zie­ren, was Sie von ihm verlan­gen. Die Konse­quenz, die Sie als Eltern gemein­sam umge­setzt haben, war aus der Situa­tion heraus nach­voll­zieh­bar und nicht falsch. Sie haben als Eltern am selben Strick gezogen, als Sie Ihren Sohn abge­holt haben. Sie haben ihm gezeigt, wo Ihre Grenzen sind und damit auch, dass er Ihnen etwas bedeu­tet. In der Schule, in der Lehre oder im Beruf wird Verbind­lich­keit erwar­tet. Auch Jugend­li­che und junge Erwach­sene sind Teil von Teams (hier dem Fami­li­en­team) und können nicht unab­ge­spro­chen aussche­ren. Hilf­reich ist es oft bei von Autis­mus betrof­fe­nen Kindern und Jugend­li­chen, wenn Eltern schritt­weise vorge­hen bezüg­lich ihrer Forde­run­gen, ihre Kinder parti­zi­pie­ren lassen und die Erwar­tun­gen in Form von konkret über­prüf­ba­ren Punkten fest­hal­ten. So ist es für ihren Sohn mögli­cher­weise einfa­cher sich auf Schritte einzu­las­sen. Eben­falls hilf­reich ist es, so konkret wie möglich Ihre Vorstel­lun­gen als Regeln zu formu­lie­ren. Etwa: «Wenn du mit dem Zug weggehst, musst du es uns sagen». Wichtig ist, dass Sie mit ihm im Gespräch bleiben.

Sie dürfen sich gerne ans kjz in Ihrer Nähe wenden und eine Erzie­hungs­be­ra­tung verein­ba­ren –in einem zweiten Schritt viel­leicht gemein­sam mit ihrem Sohn. Wie auch immer: Verges­sen Sie in stür­mi­schen Fami­li­en­zei­ten nicht, gut für sich selbst zu sorgen und sich als Paar Sorge zu tragen und die in der Familie allen­falls anwe­sen­den anderen Kinder mitzu­den­ken. Über Autis­mus Schweiz erhal­ten Sie übri­gens den Kontakt zu Selbst­hil­fe­grup­pen für Eltern von betrof­fe­nen Jugend­li­chen.

Ingrid Caveng (Sozi­al­ar­bei­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».