Heikler Umgang mit sozialen Medien

Sharenting: Das bleibt nicht in der Familie!

Viele Eltern teilen ihre Fami­li­en­er­leb­nisse gerne mit der Welt: Ultra­schall­bil­der von der Schwan­ger­schaft, Bilder von der Geburt oder anderen bewe­gen­den Momen­ten. Das kann proble­ma­tisch sein und es gilt einiges zu beach­ten.

«Sharen­ting» heisst das Phäno­men, ein Misch­wort aus den engli­schen Begrif­fen «sharing» (teilen) und «paren­ting» (Erzie­hung). Gemeint ist das Teilen von Bildern der eigenen Kinder auf Platt­for­men wie Face­book, Insta­gram oder Whats­app-Status. Süsse Baby­fo­tos gehen ans Herz – aber der Nach­wuchs kann sich nicht wehren gegen Fotos, die zeigen, wie sie schla­fen, sabbern oder schreien.

Solche Bilder gab es schon früher – aber da waren sie im Fami­li­en­al­bum und nur für ausge­wählte Perso­nen bestimmt. Ganz im Gegen­satz zum Netz: Einmal veröf­fent­licht, ist die Verbrei­tung nicht mehr steu­er­bar. Und das Netz vergisst nicht.

Den Willen der Kinder beach­ten

Erhe­bun­gen zeigen, dass Kinder zurück­hal­ten­der sind bei der Verbrei­tung von persön­li­chen Bildern als ihre Eltern. Vor allem stören sich Kinder an Fotos, die sie als pein­lich oder intim empfin­den. Was Eltern lustig finden oder mit Stolz erfüllt, erleben sie viel­leicht als beschä­mend oder macht sie im schlimms­ten Fall zu Mobbing­op­fern.

Konse­quen­zen beden­ken

Neben dem Willen der Kinder, sollten auch die Konse­quen­zen einer Veröf­fent­li­chung beach­tet werden. Das Bild eines Klein­kin­des auf dem Töpf­chen oder beim Einschla­fen mit seinem Kuschel­tier mag rührend sein. Wer sich aber für einen Job oder ein poli­ti­sches Amt bewirbt und gegoo­gelt wird, möchte kaum auf diese Ereig­nisse aus der Kind­heit redu­ziert werden.

Ein Problem ist schliess­lich auch die Verwen­dung der Bilder für kommer­zi­elle oder gar krimi­nelle Zwecke. Ein Bericht der UNICEF warnt ausdrück­lich davor, dass pädo­phile Kreise immer wieder frei zugäng­li­che Kinder­fo­tos miss­brau­chen.

Die juris­ti­sche Frage

Nun ist die Frage, ob Eltern über­haupt Bilder und Videos ihrer Kinder im digi­ta­len Raum verbrei­ten, und wenn ja welche, wie viele und auf welchen Kanälen, nicht nur eine persön­li­che Frage für die Eltern. Es ist eben auch eine recht­li­che Frage, die nicht ganz einfach zu beant­wor­ten ist. Die beiden Juris­tin­nen Sandra Husi-Stämpfli und Rita Jedel­hau­ser haben sich in einem Artikel im «juslet­ter» dieser Thema­tik ange­nom­men.

Entschei­dend für die Beur­tei­lung des Sharen­ting-Themas ist dabei der in der Schwei­zer Verfas­sung verbriefte Persön­lich­keits­schutz. Dieser beinhal­tet auch das Recht jedes und jeder Einzel­nen, selbst darüber zu bestim­men welche persön­li­chen Infor­ma­tio­nen wann, wo und zu welchem Zweck und wem zugäng­lich gemacht werden. Dieses Recht gilt unab­hän­gig vom Alter und beinhal­tet auch das Recht am eigenen Bild. Es gilt ausser­dem sowohl für den analo­gen als auch den digi­ta­len Raum.

Einver­ständ­nis des Kindes

Daraus folgt laut den Autorin­nen, dass auch Eltern vor der Verbrei­tung von Bildern ihrer Kinder in Inter­net deren Einver­ständ­nis abholen müssen. Als Alters­grenze, ab wann das inso­fern sinn­voll ist, als dass die Kinder bis zu einem gewis­sen Grad verste­hen können, was mit ihren Bilder passiert und dass das lang­fris­tige Folgen haben kann, empfeh­len sie unge­fähr den Eintritt in die Primar­schule.

Damit ist für die ganze Zeit davor, also von der Geburt bis zum Schul­ein­tritt nicht einfach ein Frei­brief an Eltern ausge­stellt, Kinder­bil­der nach Lust und Laune zu teilen. Als formal korrekte Vorge­hens­weise empfeh­len die Autorin­nen Kinder­bil­der, die ein eindeu­ti­ges Iden­ti­fi­zie­ren des Kindes ermög­li­chen, grund­sätz­lich zu unter­las­sen.

Kinder­recht und elter­li­che Sorge

Die Autorin­nen argu­men­tie­ren in ihrem Artikel darüber hinaus auch mit dem Kindes­schutz: «Kinder sind vor will­kür­li­chen oder rechts­wid­ri­gen Eingrif­fen in ihre Privat­le­ben, ihre Familie, ihre Wohnung oder den Schrift­ver­kehr oder rechts­wid­ri­ger Beein­träch­ti­gung der Ehre oder des Rufes des Kindes zu schüt­zen.» So steht es im von der UNO verab­schie­de­ten «Über­ein­kom­men über die Rechte des Kindes».

Mit der Frage jegli­chen Kinder­rechts ist zudem die elter­li­che Sorge verknüpft, die ein unver­zicht­ba­res und unüber­trag­ba­res Recht, aber auch eine Pflicht ist. Dies komme umso mehr zum Tragen, je jünger und schutz­be­dürf­ti­ger das Kind ist, schrei­ben Husi-Stämpfli und Jedel­hau­ser.

Was wäre einem selbst pein­lich?

Tatsa­che sei, so die Autorin­nen, dass der Schutz von Kindern vor Persön­lich­keits­ver­let­zun­gen durch ihre eigenen Eltern weitest­ge­hend Neuland und von der rasan­ten tech­ni­schen Entwick­lung, vornehm­lich im Inter­net, geprägt ist. Hier gelte es, die Thema­tik umfas­send aufzu­ar­bei­ten und juris­tisch breit abge­stützt zu regeln.

Bis dahin liegt die Verant­wor­tung weiter­hin bei den Eltern und deren gesun­dem Menschen­ver­stand. Bevor man als Vater oder Mutter ein Bild seines Kindes auf das eigene Insta­gram- oder Face­book-Profil stellt, sollte man sich fragen, ob man selbst ein solches Bild als Teen­ager, bei seiner Hoch­zeit oder einem Vorstel­lungs­ge­sprä­che allen Anwe­sen­den ohne pein­lich berührt zu sein zeigen würde. Ist die Antwort nicht in jedem Fall ein vorbe­halt­lo­ses «Ja», lässt man das Posten wohl besser bleiben.

Tipps für Eltern

  • Fragen Sie Ihr Kind, bevor Sie ein Bild von ihm posten, sobald es alt genug ist, das heisst mit drei oder vier Jahren.
  • Posten Sie keine Bilder von Situa­tio­nen, in denen Sie selbst nicht gesehen werden wollen.
  • Beach­ten Sie bei Grup­pen­bil­dern, wie zum Beispiel bei einem Kinder­ge­burts­tag, das Recht anderer auf ihr eigenes Bild. Holen Sie die Erlaub­nis ein, etwas zu posten.
  • Einen Eltern­guide der Univer­si­tät Basel als Entschei­dungs­hilfe finden Sie unter: netzbilder.net