Trockenwerden im eigenen Tempo
Alle Kinder sind eines Tages ohne Windeln. Nur, wie gelangen sie dahin? In dieser Reihe erzählen Eltern, wie sie das Thema Trockenwerden angegangen sind.
Ein Erfahrungsbericht von Olivier Jäger*
Wir haben bei Corina in Sachen Trockenwerden den – aus unserer Sicht – Weg des geringsten Widerstandes eingeschlagen. Sie trug ab der Geburt Windeln und wir haben auch nie überlegt, ob wir versuchen sollten, möglichst schnell davon wegzukommen. Weil wir beide nach dem Mutterschaftsurlaub arbeiteten und die Kleine in die Krippe ging, wählten wir eine für uns pragmatische Lösung, die allen Involvierten so wenig zusätzlichen Aufwand wie möglich machen sollte. Wir waren der Meinung, am besten und schnellsten würde das Trockenwerden funktionieren, wenn sie selbst dazu bereit wäre und von sich aus darauf kommen würde, dass Windeln zu tragen nicht mehr passt. Während der ersten zwei Jahre war das Trockenwerden dann eigentlich nie ein konkretes Thema.
Unterhosen – ein kleiner Anreiz als Anstoss
Irgendwann, so um den zweiten Geburtstag herum, begann Corina sich für Unterhosen zu interessieren, weil sie das bei anderen Mädchen in der Krippe gesehen hatte. Sie meinte, das wolle sie auch. Das haben wir dann zum Anlass genommen, mit ihr darüber zu reden, ob sie nicht einmal ausprobieren wolle, aufs WC oder Häfali zu gehen, statt in Windeln herumzulaufen. Denn Unterhosen «iehe man erst an, wenn man keine Windeln mehr braucht. Wir dachten uns, wenn sie eine konkrete Motivation hat, die von ihr selbst kommt, würde sie sich vielleicht bald einmal darauf einlassen, die Windeln los zu werden.
Zunächst stieg sie noch nicht auf den Versuch ein, offensichtlich war es ihr mit Windeln doch immer noch so wohl, dass eine Veränderung – Unterhosen hin oder her – nicht attraktiv genug war. Aber das Thema Unterhosen kam in den folgenden Monaten doch immer mal wieder auf, und wir blieben dabei, dass sie erst Unterhosen anziehen könne, wenn sie aufs WC gehe. Schliesslich dachten wir uns, wir könnten diese Motivation ja sichtbar machen und haben ihr so um den dritten Geburtstag herum einige Unterhöschen gekauft, in der Hoffnung, dass sie den Versuch wagen würde, wenn das Ziel greifbar nahe wäre. Corina fand die Höschen zwar nett, aber die Bequemlichkeit des Windeltragens war offenbar immer noch grösser als der Wunsch nach Minnie-Maus-Unterhosen.
Plötzlich war der Wunsch da
Ob die Sichtbarkeit ihres Zieles den Entschluss dann doch noch beschleunigt hat, weiss ich nicht. Nachdem sie die Unterwäsche-Schublade einige Monate immer vor Augen hatte, sagte sie jedenfalls eines Tages von sich aus, sie wolle jetzt probieren, ohne Windeln auszukommen. Wenn es nicht klappt, könne sie ja einfach wieder welche anziehen. Wir haben dann ein Häfali und einen WC-Aufsatz gekauft – wobei sie das Häfali insgesamt höchsten zwei Mal benutzt hat. Der WC-Aufsatz war dagegen der Hit, besonders beim Gaggimachen thronte sie, ausgerüstet mit Spielsachen und Büchern, ausgiebig darauf. Das hat fast auf Anhieb funktioniert. Am Anfang verpasste sie noch ab und zu den Moment, zu sagen, sie müsse aufs WC, aber innerhalb von zwei bis drei Wochen war das Thema Windeln durch – zumindest am Tag.
In der Nacht dauerte es noch etwas länger
Ohne Windeln zu schlafen, das dauerte dann noch einmal rund anderthalb Jahre länger. Wir besprachen das Thema zwar mit Corina, ohne Windeln zu schlafen, war ihr da aber noch unangenehm. Sie trug in der Nacht dann diese Windelhöschen, die sie selbst an- und ausziehen konnte. Dass sie dafür keine Hilfe brauchte, war für sie wichtig und für uns natürlich angenehm. Die Entscheidung, sie wolle jetzt auch ohne Windeln schlafen, kam aber wiederum von ihr allein, und das klappte praktisch von der ersten Nacht an mit höchstens noch zwei kleinen Zwischenfällen in den ersten beiden Wochen.
Rückblickend würden wir es wieder gleich handhaben
Wir empfanden das Wickeln oder die Wickeltasche im Gepäck nie als Stress. Wir alle hätten es wohl als viel stressiger und unangenehmer empfunden, über längere Zeit mit zig Garderoben rumlaufen und immer damit rechnen zu müssen, dass jederzeit etwas in die Hose gehen könnte. So sahen wir Eltern keinen Grund, etwas zu forcieren. Indem Corina den Zeitpunkt, wann sie auf die Windeln verzichten wollte, selbst bestimmen konnte, war sie jeweils total bereit dazu und zog das fast von einem Tag auf den anderen durch.
* Name geändert
Drei Empfehlungen von kjz-Expertin Linda Klein
- Zeitpunkt und Dauer des Trockenwerdens sind sehr individuell. Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht, höchstens einen falschen; dann nämlich, wenn mehrere Anforderungen auf einmal für das Kind zusammenkommen (Umzug, Krippenwechsel, neues Geschwister etc.).
- Zwischen eineinhalb bis fünf Jahren ist alles möglich, aufgrund des Kindergarteneintritts wird es allerdings meist vor fünfjährig zum Thema.
- Das Wichtigste ist, dass das Kind ohne Druck trocken werden kann.