Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-BeratungsangebotMütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei grösster Elternliebe froh um ein bisschen Unterstützung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erziehung weiss das Fachteam unserer kjz-Sprechstunde Rat. Kompetent, anonym und unkompliziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!
Liebes kjz
In letzter Zeit ist mein Sohn (3) mir gegenüber sehr aggressiv. Wenn ihm etwas nicht passt – zum Beispiel beim Ankleiden oder Essen – wird er sehr wütend und haut oder beisst mich. Ich verstehe das nicht. Ich pflege einen liebevollen Umgang mit ihm. Wie soll ich darauf reagieren?
Frau R.
Liebe Frau R.
Mit drei Jahren befindet sich Ihr Sohn mitten in der Trotzphase – und diese ist ganz schön anstrengend. Verständlich, dass Sie der Kleine überfordert, wenn er in Ihren Arm beisst statt in die Pizza.
Trotzdem kann es hilfreich sein, dieses Verhalten zu verstehen. Gerne lade ich Sie auf einen kurzen Exkurs in die kindliche Entwicklung ein: Um den zweiten Geburtstag herum entdecken Kinder ihren eigenen Willen – und stossen dabei immer wieder an Grenzen, was frustrieren kann. Zudem ist Ihr Sohn mit drei Jahren noch nicht in der Lage, die Wünsche, Gefühle und Gedanken anderer Menschen zu erfassen. Diese sogenannte Perspektivenübernahme entwickelt sich erst im Alter von circa vier Jahren.
Natürlich kann der Kleine beobachten, was passiert, wenn er Sie beisst: Sie reagieren mit Schmerzen. Allerdings kann er noch keine Rückschlüsse auf sein Verhalten ziehen. Kein Kind in diesem Alter ist also «böse». Auch lässt sich bezweifeln, ob es sich um Aggression, also um feindseliges Verhalten, handelt. Ihr Sohn beisst und haut nicht, um Sie zu ärgern oder zu verletzen.
Viel eher ist er überfordert und weiss sich nicht zu helfen. Was könnte dazu geführt haben? Oft ist es ja so: Wenn die Zeit rennt und die Termine sich jagen, fliegen zu Hause schneller die Fetzen. Gerade Hektik oder viele Reize überfordern kleine Kinder. Haben Sie die Möglichkeit, beim Essen oder Anziehen mehr Zeit einzuplanen? Auch Müdigkeit oder Hunger können Trotzanfälle triggern. Vielleicht lohnt es sich, das Abendessen etwas früher anzusetzen oder Ihrem Sohn vorab einen Snack wie ein Rüebli anzubieten.
Sobald ein Kind lernt, sich über Sprache auszudrücken, verringern sich die Wutanfälle oft. Sie können Ihrem Sohn helfen, für seine Gefühle und Handlungen Worte zu finden: «Ich sehe, dass du dich ärgerst, weil du dich anziehen sollst. Aber ich möchte nicht, dass du mich beisst. Beissen tut weh.»
Auch ist es wichtig, Strategien zu erproben, um die eigenen Emotionen zu regulieren: Eine kurze Pause einlegen beispielsweise, tief durchatmen, auf 10 zählen. Vielleicht hilft Ihnen auch das Bild vom Fels in der Brandung: Den Sturm aushalten, stark und stoisch, ohne mitgerissen zu werden.
Dafür wünsche ich Ihnen viel Kraft – und versöhnliche, schöne Momente, wenn der Sturm sich wieder gelegt hat.
Ursina Ehrensperger (Erziehungsberaterin) und das kjz-Team
Haben Sie eine Frage?
Haben Sie eine Frage zur Erziehung, zum Zusammenleben in der aktuellen Situation oder ganz allgemein zum Familienleben? Das kjz-Team beantwortet regelmässig Fragen in der «kjz-Sprechstunde».