Genau hinschauen

Erziehungsmuster, die Kinder unbemerkt belasten können

Eltern wollen ihren Kindern nicht wehtun. Obwohl sie immer das Beste für ihr Kind möchten, kann es im Stress aber manch­mal passie­ren, dass sie über­se­hen, was eine Reak­tion unbe­ab­sich­tigt beim Kind bewirkt. Es hilft, wenn Sie als Eltern gele­gent­lich einen bewuss­ten Blick auf Ihr eigenes Stress­ver­hal­ten werfen.

Eltern geben täglich ihr Bestes. Dennoch sagen oder tun sie im Alltags­stress alle einmal etwas, was so nicht gewollt war. Oft sind es die feine­ren Zwischen­töne, die bei Kindern Spuren hinter­las­sen können. Verpackt in kleinen Gesten oder in der Art, wie ihre Eltern etwas sagen. Bei den Erwach­se­nen bleibt dies manch­mal unbe­merkt.

Wenn Sie sich als Eltern den mögli­chen Mecha­nis­men dahin­ter bewusst sind und Ihr eigenes Verhal­ten in Stress­mo­men­ten gele­gent­lich genau anschauen, können Sie solchen Wirkun­gen besser vorbeu­gen.

Kleine Momente mit unge­woll­ter Wirkung

Einige Szenen, die bei Kindern mehr bewir­ken können, als Erwach­se­nen manch­mal bewusst ist:

«Jetzt machsch mi aber hässig»
Hören Kinder solche Aussa­gen öfters, kann es bei ihnen auslö­sen, dass sie sich für die elter­li­chen Gefühle verant­wort­lich fühlen. Damit die Eltern nicht vermeint­lich ihret­we­gen wütend, unglück­lich, traurig usw. werden, versu­chen sie, sich deren Bedürf­nis­sen noch besser anzu­pas­sen und sich noch mehr anzu­stren­gen. Die Wahr­neh­mung für ihre eigenen Gefühle kann so zuneh­mend schwä­cher werden.

Ähnlich wirken Reak­tio­nen wie: aus Ärger auf Distanz gehen (z. B. nicht wie sonst beim Abschied umarmen), dem Kind das Gefühl geben, man müsse «seinet­we­gen» weinen, dem Kind eigene Über­for­de­rung zu spüren geben oder Aussa­gen wie «Wie habe ich das verdient?», «Ich weiss nicht mehr wie weiter mit dir», «Dann such dir doch ein besse­res Mami»

«Jetzt häsch eus de ganz Tag verdorbe»
Schuldgefühle belas­ten Kinder (und uns alle) stark. Auch lernen Kinder durch Schuld­zu­wei­sun­gen weder dass Fehler okay sind noch wie sie mit Miss­ge­schi­cken oder starken Gefüh­len besser umgehen können.

Ähnlich wirken Reak­tio­nen wie: das Kind meiden oder Aussa­gen wie «Wenn du nicht immer so lange hättest, dann …», «Das hast du jetzt davon»

«So will d’Oma nüme go hüete cho»
Wird die Bezie­hung zum Kind an ein bestimm­tes Verhal­ten gekop­pelt, können Kinder den Glauben entwi­ckeln «Ich bin nur liebens­wert, wenn ich mich den Bedürf­nis­sen anderer anpasse».

Ähnlich wirken Reak­tio­nen wie: kurz ange­bun­den, abwei­send oder schnip­pisch sein, die Hand nicht mehr zum Halten anbie­ten, Blick­kon­takt meiden, nicht wie sonst Gute­nacht­sa­gen, wenn sich das Kind nicht verhält, wie man möchte

«Nie losisch mer zue!»
Vorwürfe bedeu­ten: Du erfüllst meine (hohen) Erwar­tun­gen nicht. Müssen sich Kinder oft an Erwar­tun­gen anderer orien­tie­ren, ohne dass ihre kind­li­chen Bedürf­nisse Platz haben, verlie­ren sie allmäh­lich die Wahr­neh­mung dafür, was sie selbst eigent­lich bräuch­ten. 

Ähnlich wirken Reak­tio­nen wie: nicht mehr reden mit dem Kind bei Enttäu­schung oder Aussa­gen wie «Wie konn­test du bloss», «Ich bin enttäuscht von dir», «Wie oft musste ich dir das nun schon sagen!», «Mama mia …»

Fit for Family

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Welche Reak­tio­nen sind hilf­rei­cher für mein Kind?

Wichtig ist: Eine unge­wollte Reak­tion als Ausnahme ist nicht schäd­lich. Und es ist mensch­lich, wenn Ihnen als Eltern nicht jede Reak­tion genau so gelingt, wie gewünscht.

Wie stark sich welche Reak­tion auf Ihr Kind auswirkt, hängt neben den Umstän­den, der Heftig­keit und Häufig­keit auch davon ab, wie verläss­lich und liebe­voll die Bezie­hung zu Ihnen als Eltern grund­sätz­lich ist. Erlebt Ihr Kind einen Alltag, in dem es sich respek­tiert und geliebt fühlt und seine Bedürf­nisse beach­tet werden? Dann kann es mit nicht-förder­li­chen Reak­tio­nen von Ihnen besser umgehen, sofern diese selten bleiben. Wenn Ihr Kind ausser­dem versteht, dass eine harsche Reak­tion von Ihnen mit den Umstän­den (keine Nerven, Stress bei der Arbeit usw.) zu tun hatte, und nicht mit ihm selbst, macht es Ihr Kind viel weniger verletz­lich.

Im folgen­den Beitrag finden Sie konkrete Anre­gun­gen, wie Sie Ihr Kind in Stress­mo­men­ten weniger belas­ten und was Ihnen als Eltern bei Stress und Streit hilft, konstruk­tiv zu bleiben:

Warum sind konstruk­tive Reak­tio­nen so wichtig für Kinder?

Können Eltern in der Über­for­de­rung keine Ruhe bewah­ren, steigt der Stress beim Kind. Im Stress können Kinder aber nicht mehr einfach Kind sein. Ihre eigenen Gefühle, Bedürf­nisse, Stärken und Entwick­lungs­auf­ga­ben rücken in den Hinter­grund, ihr Selbst­wert und ihre Gedan­ken­mus­ter entwi­ckeln sich eher negativ und sie laufen Gefahr, sich für das Wohl von ihrem Umfeld verant­wort­lich zu fühlen. Gleich­zei­tig schauen sie sich das elter­li­che Verhal­ten ab – und kopie­ren es später selbst.

Reagie­ren Sie als Eltern hinge­gen ruhig, kontrol­liert und klar, ist Ihr Kind besser für Krisen und schwie­rige Situa­tio­nen gewapp­net. Auch festi­gen Sie so die verläss­li­che Bezie­hung zu Ihrem Kind und stärken Sie seinen Selbst­wert.

Ist der Alltag zuhause öfters ange­spannt? Oder fühlen Sie sich oft erschöpft? Unsere erfah­re­nen Mütter- und Väter­be­ra­te­rin­nen oder die Fach­per­so­nen der Erzie­hungs­be­ra­tung unter­stüt­zen Sie gerne kosten­los im kjz in Ihrer Nähe.

Dieser Beitrag ist in Zusam­men­ar­beit entstan­den mit der Geschäfts­stelle Eltern­bil­dung des Amts für Jugend und Berufs­be­ra­tung, Kanton Zürich.