Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-BeratungsangebotWarum es wichtig ist, wie wir mit unseren Kindern reden
«Tu nicht so blöd» oder «Deinetwegen kommen wir zu spät» sind schnell gesagt im turbulenten Familienalltag. Worte können auf Kinder aber grosse Wirkung haben – zum Beispiel auf den Selbstwert oder die Vertrauensbeziehung zu den Eltern. Worauf Eltern achten können, sagt Psychologin Madlaina Bezzola.
Madlaina Bezzola, warum ist es wichtig, wie Eltern etwas sagen?
Worte können viel bewirken. Sie lösen Gefühle und Stimmungen aus. Zum Beispiel indem sie Mut machen oder Nähe und Verbundenheit schaffen. Worte können aber auch die Freude nehmen oder tief verletzen. Daher haben Worte, aber auch der Tonfall und die Lautstärke, Einfluss auf die Beziehung und die Bedingungen, unter denen sich Kinder entwickeln.
Was heisst das konkret – welchen Einfluss haben Worte auf die Beziehung zum Kind und seine Entwicklung?
In der Kindheit entwickeln wir erste Antworten auf Fragen wie «Wer bin ich?», «Was kann ich gut?» und «Was denken andere von mir?». Diese Antworten können uns in Form von Leitsätzen ein Leben lang begleiten. Bekommt ein Kind häufig Sätze zu hören wie «Du bist dumm» oder «Ich will dich nie mehr wiedersehen», prägt das sein Selbstbild tief.
Das sind natürlich extreme Aussagen. Doch auch scheinbar harmlosere Sätze wie «Immer bist du so langsam» oder «Deinetwegen kommen wir zu spät» lösen etwas aus beim Kind. Meist möchten wir damit ein anderes Verhalten bewirken, zum Beispiel dass das Kind vorwärtsmacht. Diese Worte sind aber konkrete Vorwürfe, mit denen wir das Kind als Person angreifen. Gleichzeitig gehen wir nicht darauf ein, dass seinem Verhalten etwas anderes zugrunde liegen könnte, Überforderung zum Beispiel. Stattdessen versetzen wir es zusätzlich in Stress. Das Kind lernt in dieser Situation also höchstens «Ich bin langsam», «Ich genüge nicht» oder «Meine Eltern helfen mir nicht, wenn ich überfordert bin». Und das wiederum belastet das Vertrauensverhältnis zu uns Eltern.
Im Stress rutschen uns solche Worte manchmal unbedacht heraus. Wie schlimm ist das?
Vorab: Konflikte in der Familie gehören dazu und Kinder brauchen authentische Eltern, keine perfekten. Dabei bringen wir unterschiedliche Temperamente mit sowie eigene Erfahrungen. Auch wir sind geprägt, etwa davon, wie unsere Eltern mit uns geredet haben. Solche Muster sind schwierig zu durchbrechen, vor allem im Alltag mit den Kindern. Kinder fordern uns manchmal ganz schön heraus, testen unsere Grenzen, drücken unsere Knöpfe oder wühlen in unseren Wunden. So ist es auch normal, dass wir nicht immer so reagieren, wie wir uns das vorgenommen haben. Wichtig ist einfach, dass wir uns nach unbedachten Worten immer wieder miteinander versöhnen – und dass sie Ausnahmen sind.
Was können Eltern in schwierigen Situationen bei der Wortwahl beachten?
Oft hilft es, sich zu fragen, welche Bedürfnisse auf beiden Seiten mitspielen – und dann auch beide Seiten ernstzunehmen. Sagen wir, ein Kind tobt an der Supermarktkasse, weil es Süssigkeiten haben möchte. Für uns Eltern ist die Situation sehr unangenehm. Alle Leute schauen, vielleicht sind wir eh schon im Stress, da wir schon längst zu Hause sein müssten. Doch das Kind hört einfach nicht auf. Es hätte die Süssigkeiten wirklich gerne, und zwar jetzt. Das kann einem den letzten Nerv rauben und wir sagen Dinge wie «Tu nicht so saublöd». So nehmen wir das Kind aber nicht ernst, sondern werten es ab. Doch Kinder sollen ihre Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken dürfen.
Besser wäre, wir atmen tief durch und gehen auf beide Seiten ein, indem wir möglichst ruhig sagen: «Mich stört dieses Toben hier im Laden. Und ich bleibe bei meinem Nein, denn wir essen gleich zu Mittag. Gleichzeitig verstehe ich, dass du jetzt diese Süssigkeiten gerne hättest. Und es ist okay, dass du frustriert bist, weil du sie nicht bekommst.» Mit Verständnis können Eltern oft den Wind aus dem Segel nehmen.
Was können Eltern sagen, wenn ihnen doch einmal der Kragen platzt?
Wichtig ist: In der Wut kann nichts geklärt werden. Besser beruhigen sich zuerst beide Seiten. Dann sollen die Eltern mit dem Kind über das Geschehene reden und sich für ihre Worte entschuldigen. Sie können zum Beispiel sagen: «Es tut mir leid, dass ich so laut geschimpft habe. Ich war frustriert, da ich das Gefühl hatte, du hörst mir nicht zu. Was ist in diesem Moment in dir vorgegangen?» Ein Kind lernt in dieser Situation, wie es später Konflikte handhabt. Wenn die Eltern also auf beide Seiten eingehen, lernt es auch das Kind. Wichtig ist auch: Das Kind muss merken, dass die Eltern es sehr gern haben, auch wenn sie manchmal schimpfen.
Häufen sich solche Szenen, sollten Eltern die Verantwortung übernehmen und Hilfe suchen. Zum Beispiel bei den Fachpersonen im kjz in ihrer Region im Kanton Zürich. In einem Beratungsgespräch können solche Muster analysiert und Lösungen gesucht werden.
Macht der Worte
Mit Sprache können wir Kindern wehtun. Verletzende Worte und Körpersprache (Gestik, Mimik) oder eine verletzende Art von Tonfall, Lautstärke usw. zählen deshalb als psychische Gewalt. Dazu gehört zum Beispiel, wenn wir:
- Kinder anschreien, abwerten oder blossstellen,
- Kindern sagen, wir hätten sie nicht mehr gern,
- Kindern drohen oder anderweitig Angst machen,
- Kinder mit ihren Bedürfnissen alleine lassen.
Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt gegen Kinder. Sie hat einen negativen Einfluss auf den Selbstwert und die Beziehung zum Kind.
Das hilft, die richtigen Worte zu finden
- Schmieden Sie das Eisen, wenn es kalt ist.
In der Wut kann man nichts klären. Sind Sie im Stress oder kocht Ihr Kind vor Wut, sagen Sie besser nichts oder nehmen kurz Abstand voneinander. - Vermeiden Sie Wertungen und Vorwürfe. Äussern Sie stattdessen Ihre Empfindungen und Wünsche.
Benennen Sie Ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse oder sagen Sie, welche Ihrer Grenzen überschritten wurden. Das schafft Verständnis und Empathie. Zum Beispiel: «Mir ist es zu laut. Ich hatte einen langen Arbeitstag und bin froh, wenn du zum Spielen rausgehst.» Machen wir stattdessen Wertungen oder Vorwürfe («Kannst du nicht ein Mal …?», «Tu nicht so blöd …», «Wie oft muss ich dir noch sagen …?»), greifen wir den Selbstwert eines Kindes an. - Sagen Sie, was Sie möchten – nicht, was Sie nicht möchten.
So helfen Sie dem Kind aus der Situation heraus, zum Beispiel: «Sprich bitte freundlicher mit mir», «Lass uns das nochmals zusammen üben», «Hol bitte den Lappen, um das wieder sauberzumachen.» - Suchen Sie nach dem Gefühl oder Bedürfnis des Kindes.
Auch wenn Sie sich ärgern: Überlegen Sie sich, was hinter dem Verhalten des Kindes stecken könnte. Dabei gilt: Alle Gefühle sind okay, nicht aber alle Verhaltensweisen. - Suchen Sie eine Lösung für die Bedürfnisse von beiden.
Am besten gemeinsam. - Fragen Sie sich: Wie kann mein Kind am besten lernen, was ich von ihm möchte?
Dabei lassen sich Kinder oft besser auf spielerische Art für ein neues Verhalten gewinnen, als mit Druck.
Und wenn doch etwas herausrutscht: Auch Eltern haben manchmal einen schlechten Tag. Wichtig ist, dass Sie danach hinstehen, sich entschuldigen und keinen Zweifel offenlassen, dass Sie das Kind weiterhin lieb haben.