Genderneutrale Berufswahl

Berufe kennen kein Geschlecht

Eltern geben ihren Kindern bei der Berufs­wahl oft geschlech­ter­spe­zi­fi­sche Empfeh­lun­gen. Dies hat Folgen für die Gleich­stel­lung, den Fach­kräf­te­man­gel und die persön­li­che Zufrie­den­heit. Wie können Eltern ihre Rollen­bil­der bei der Berufs­wahl ihrer Kinder ablegen und ihre Kinder unvor­ein­ge­nom­men unter­stüt­zen? Fünf Tipps zeigen, wie.

In einem breit ange­leg­ten Umfra­ge­ex­pe­ri­ment unter­such­ten Forschende der Univer­si­tät Bern, ob in der Schweiz Eltern ihren Kindern bei der Lehr­stel­len­su­che Empfeh­lun­gen geben, die von Geschlech­ter­rol­len geprägt sind. Die Studie von 2024 zeigt, dass Töchter von ihren Eltern relativ ausge­wo­gen beraten werden. Söhne hinge­gen erhal­ten deut­lich häufi­ger Empfeh­lun­gen für «typisch männ­li­che» Berufe.

Warum gender­neu­trale Bera­tung wichtig ist

Wenn Mädchen vor allem in soziale Berufe und Jungen in tech­ni­sche und hand­werk­li­che Berufe gedrängt werden, geht für die Gesell­schaft und für die Kinder selbst wert­vol­les Poten­zial verlo­ren. Eine Berufs­ent­schei­dung, die auf echten Inter­es­sen und Talen­ten basiert, erhöht die Zufrie­den­heit und redu­ziert das Risiko von Unzu­frie­den­heit im Job. Gleich­zei­tig hilft eine ausge­wo­ge­nere Vertei­lung von Geschlech­tern in den Berufen, Rollen­bil­der aufzu­bre­chen und dem Fach­kräf­te­man­gel entge­gen­zu­wir­ken – zum Beispiel in der Pflege, Infor­ma­tik oder im Hand­werk. Da stellt sich die Frage, wie es Eltern gelingt, ihre Kinder auf dem Weg ins Berufs­le­ben frei von stereo­ty­pi­scher Prägung zu beglei­ten.

5 Tipps für gender­neu­trale Unter­stüt­zung

  • Inter­es­sen statt Geschlecht in den Vorder­grund stellen
    Fragen Sie Ihr Kind: Was macht dir Spass? Worin bist du gut? Was inter­es­siert dich – auch ausser­halb der Schule? Ein Junge, der gerne mit Kindern arbei­tet, sollte in seinem Inter­esse genauso unter­stützt werden wie ein Mädchen mit Faszi­na­tion an Robotik.
  • Eigene Klischees erken­nen und reflektieren
    Beob­ach­ten Sie sich selbst: Würden Sie Ihrer Tochter einen Beruf im Bauge­werbe vorschla­gen? Würden Sie Ihrem Sohn zum Fach­mann Betreu­ung raten? Wenn nicht: Fragen Sie sich, warum. Oft sind es unbe­wusste Rollen­bil­der, die mitschwin­gen.
  • Viel­fäl­tige Vorbil­der zeigen
    Spre­chen Sie über Männer in Pfle­ge­be­ru­fen oder Frauen in Führungs­po­si­tio­nen. Nutzen Sie reale Beispiele oder Medi­en­be­richte, um zu zeigen: Jeder Beruf kann von jeder Person ausge­übt werden – unab­hän­gig vom Geschlecht. Einen spie­le­ri­schen Zugang bietet das Job Game der Fach­stelle Gleich­stel­lung des Kantons Zürich.
  • Berufs­wahl offen beglei­ten – nicht steuern
    Geben Sie Ihrem Kind Orien­tie­rung und Infor­ma­tio­nen, aber lassen Sie es seine eigenen Entschei­dun­gen treffen. Unter­stüt­zen Sie es auch, wenn es einen unge­wöhn­li­chen Weg einschla­gen will.
  • Berufs­be­ra­tung gemein­sam nutzen
    Besu­chen Sie mit Ihrem Kind eine Berufs­be­ra­tung oder Info­ver­an­stal­tung im biz in Ihrer Nähe. Dort erhal­ten Jugend­li­che und Eltern eine neutrale Sicht auf die Möglich­kei­ten – und neue Perspek­ti­ven, die frei von Geschlech­ter­kli­schees sind. Und auf dem Berufs­wahl-Portal können Sie sich mit Ihrem Kind selbst­stän­dig über die verschie­de­nen Berufe und den Berufs­wahl­pro­zess infor­mie­ren.

Berufe sind nicht weib­lich oder männ­lich; sie sind indi­vi­du­ell. Mädchen können glück­li­che Infor­ma­ti­ke­rin­nen werden, Jungen erfüllte Pfle­ge­fach­män­ner. Eltern, die ihren Kindern mit Offen­heit und ohne Schub­la­den­den­ken begeg­nen, legen den Grund­stein für eine freie, selbst­be­stimmte und erfolg­rei­che Berufs­lauf­bahn.

Die Studi­en­re­sul­tate zusam­men­ge­fasst

Eltern fördern die geschlechts­spe­zi­fi­sche Berufs­wahl nur bei Söhnen, nicht aber bei Töch­tern.

  • Eltern empfeh­len Söhnen selte­ner einen frau­en­do­mi­nier­ten Beruf (39,7 Prozent) als Töch­tern (48,7 Prozent).
  • Entspre­chend empfeh­len sie Töch­tern selte­ner einen männer­do­mi­nier­ten Beruf (51,3 Prozent) als Söhnen (60,3 Prozent).
  • Während Eltern Söhnen deut­lich häufi­ger einen männer­do­mi­nier­ten Beruf empfeh­len als einen frau­en­do­mi­nier­ten, empfeh­len sie Töch­tern fast gleich häufig einen frau­en­do­mi­nier­ten oder einen männer­do­mi­nier­ten Beruf.

Sowohl Mütter als auch Väter geben geschlechts­spe­zi­fi­sche Berufs­emp­feh­lun­gen.

  • Mütter und Väter empfeh­len Söhnen häufi­ger den männer­do­mi­nier­ten Beruf.
  • Väter empfeh­len Söhnen und Töch­tern signi­fi­kant häufi­ger den männer­do­mi­nier­ten Beruf, während Mütter Töch­tern fast gleich häufig den Männer- und Frau­en­be­ruf empfeh­len.

Das Vorhan­den­sein von Kindern und Alters­un­ter­schiede der Befrag­ten haben kaum Einfluss auf die Empfeh­lun­gen zur Berufs­wahl.

Das Bildungs­ni­veau der Eltern hat einen signi­fi­kan­ten Einfluss auf die geschlechts­spe­zi­fi­sche Berufs­wahl.

  • Während Eltern mit Berufs­bil­dung stark geschlechts­spe­zi­fi­sche Empfeh­lun­gen geben, machen Eltern mit akade­mi­scher Ausbil­dung keinen Unter­schied zwischen Söhnen und Töch­tern.
  • Eltern mit beruf­li­cher Bildung empfeh­len ihren Söhnen selte­ner einen frau­en­do­mi­nier­ten Beruf als ihren Töch­tern, Eltern mit akade­mi­scher Bildung empfeh­len den männer­do­mi­nier­ten Beruf sowohl ihren Töch­tern und Söhnen.