Hayam, Isa, Samira und Giano

Glücklich, hier zu Hause zu sein

Hayam und Isa liessen ihre Heimat Syrien zurück und fanden in der Schweiz ein Zuhause. Hier ist die Familie mit den Kindern Samira und Giano inte­griert und geschätzt.

«Die Leute hier­zu­lande haben eine komplett falsche Vorstel­lung davon, wie das Leben in Syrien ist – respek­tive: wie es war. Vor dem Krieg.» Das versucht Isa (28), der Ehemann von Hayam (26) und Vater von Samira (5) und Giano (3), dem Besuch verständ­lich zu machen. Er führt durch ihre Wohnung in Gossau ZH und sagt: «Schauen Sie! Es ist uns wichtig, schön zu wohnen. Hier meinen viele, in Syrien hätten die Menschen kein moder­nes Zuhause. Aber wir haben auch Elek­tronik, manche sogar einen Fern­se­her in der Toilette. Wir leben nicht auf der Strasse. Wir hatten schöne Häuser, schöne Wohnun­gen.»

Auch hier hat sich das Paar sein Zuhause geschmack­voll einge­rich­tet. Isa arbei­tet auf Abruf bei einem Zügel­un­ter­nehmen. So hat er Zugang zu Produk­ten, die andere wegwer­fen.

Isa und Hayam sind Kurden aus Syrien. Sie flüch­te­ten 2011 über Land und Wasser von Afrin in die Schweiz, via die Türkei, Grie­chen­land, von dort auf einem kleinen Schiff nach Bari in Italien. «Mamma mia», entfährt es Isa in Erinne­­rung daran. «Hayam war von rund 80 Flüch­ten­den die einzige Frau an Bord. Alles ging gut, wir erreich­ten nach zwei Tagen unser Ziel.» Und dann ging es weiter nach Chiasso. Hayam hatte zuvor in ihrer bergi­gen Heimat recher­chiert und heraus­ge­fun­den, dass es in diesem Land namens Schweiz eben­falls Berge hat – und vier Spra­chen. «Da gehen wir hin!», sagte die damals blut­junge Biblio­the­kar-Studen­tin zu ihrem Partner. Sie heira­te­ten noch vor der Flucht. Nach Bildern aus Syrien gefragt, holt Hayam ein Album mit Fotos von diesem Tag – es zeigt eine fröh­li­che Fest­ge­mein­schaft, Isa zeigt auf Menschen: «Der ist jetzt tot», er blät­tert, «sie eben­falls: getötet.» So geht es weiter.

Das Paar hatte keinen Einfluss darauf, wo es in der Schweiz zu Hause sein würde, das entschei­den die Behör­den. Gossau liegt im Zürcher Ober­land, es ist hügelig, die Berge sind nah. Die beiden fühlen sich wohl in der Gemeinde, in der sie offene, hilfs­be­reite Menschen kennen­ler­nen durften. Beson­ders seit sie Eltern sind: Tochter Samira kam 2014 zur Welt, Sohn Giano 2015. Samira geht inzwi­schen in den Kinder­gar­ten, Giano ist an zwei Morgen die Woche in der Spiel­gruppe im Ort. Seit einer Volksabstim­mung 2017 erhal­ten Geflüch­tete mit dem Status der vorläu­fig Aufgenom­menen (F) keine Sozi­al­hilfe mehr; doch das ist nicht die einzige Einschrän­kung, die auch die syri­sche Familie hart trifft: Arbeit zu finden sei schwie­rig, berich­tet Isa. Stabile Arbeit aber braucht, wer eine Aufent­halts­be­wil­li­gung bean­tra­gen möchte. Ein Teufels­kreis. Immer­hin unter­stützt die Gemeinde: Das Ehepaar darf einen Sprach­kurs besu­chen. Aber das Geld für die Spiel­gruppe, in der Giano spie­lend Schwei­zer­deutsch lernt, müssen sie nun selber aufbrin­gen. Schwei­zer Freunde helfen ihnen dabei, Giano kann weiter­hin gehen. «Wir sind so dankbar. Eine ältere Schwei­ze­rin besucht uns regel­mäs­sig, spielt mit den Kindern. Dieser Austausch tut gut.»

Hier können unsere Kinder in die Schule gehen.

Nebst dem Schwie­ri­gen gibt es auch vieles, das sie glück­lich macht: «Hier zu leben, wir als Familie zusam­men. Und dass wir hier so viele gute Menschen kennen. Und dass auch meine Eltern in die Schweiz gekom­men sind und wir sie jedes Wochen­ende sehen», sagt Hayam. Und er: «Dass wir alle gesund sind. Dass unsere Kinder hier zur Schule gehen können.» Was sie sich beide wünschen: Nach den vielen Absagen wegen ihrem F-Status endlich einmal posi­ti­ven Bescheid auf eine Bewer­bung zu bekom­men. Und endlich wieder reisen können. «Seit acht Jahren sind wir hier und noch immer dürfen wir nicht nach Deutsch­land», sagt Isa. Dort lebt sein Vater, sie konnten ihn auch nicht besu­chen, als er krank war. Ihr allergrös­ster Wunsch aber ist: den B-Ausweis erhal­ten und hier bleiben zu können. Hier, wo ihre Kinder die Chance haben, in Sicher­heit und Gebor­gen­heit aufzu­wach­sen.

Text: Esther Banz