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Die Tochter legt das Tablet nicht weg wie abgemacht? Der Sohn vergisst immer wieder die Zeit, wird aber wütend, wenn Sie helfen wollen? Sie kennen solche Momente – und wissen auch nicht immer, was tun? Hier finden Sie Ideen für den Umgang mit Regeln und Grenzen sowie Anregungen für drei Szenen aus dem Erziehungsalltag.
Viele Eltern kennen das Dilemma: Alles verbieten geht nicht, schliesslich müssen Kinder Erfahrungen sammeln. Gewisse Regeln braucht es aber. Und manchmal kann es sehr anstrengend sein, diese konsequent umzusetzen. Folgende zwei Gedanken im Hinterkopf können helfen:
Gedanke 1
«Dass Kinder alle Regeln gerne einhalten, ist eine Illusion.»
Wir Erwachsenen halten uns schliesslich auch nicht immer aus innerer Überzeugung an Gesetze und Regeln. Doch gewisse Abmachungen gehören zum gesellschaftlichen Miteinander dazu. Genauso wie es zu Ihrer Verantwortung als Eltern gehört, gewisse Grenzen zu setzen. Dass es nicht immer lustig ist, diese Grenzen als Kind einhalten zu müssen, ist verständlich. Vergessen Sie daher nicht, die Gefühle Ihres Kindes anzuhören und zu respektieren. Ist es nun vielleicht enttäuscht? Oder frustriert? Wie könnte es mit diesen negativen Gefühlen umgehen? So lernt ihr Kind, mit der Zeit gelassener mit Frust und Co. umzugehen. Wutausbrüche hingegen können ein Zeichen dafür sein, dass sich Kinder mit ihren Gefühlen nicht genug ernst genommen fühlen.
Gedanke 2
«Auch der Umgang mit Regeln muss erst gelernt werden.»
So vieles müssen Kinder erst lernen. Im Umgang mit Regeln bedeutet das konkret: Damit Kinder sie einhalten können, müssen sie erst ein gewisses Mass an Selbstkontrolle erlernen und auch wissen, wie sie mit Frust und Enttäuschung umgehen können. Das sind grosse Herausforderungen. Als Eltern helfen Sie Ihrem Kind, wenn Sie Ihrem Kind Zeit geben und es bei diesen Lernprozessen geduldig und liebevoll begleiten.
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In vielen Kursen und Veranstaltungen erhalten Sie als Eltern wertvolle Inputs zum Thema «Regeln und Grenzen».
Drei Szenen aus dem Alltag
«Grenzen auszuloten, gehört zum Kinderleben dazu», sagt der langjährige Elternbildner Martin Gessler. Doch wie können Sie als Eltern nun konkret reagieren in solchen Momenten? Martin Gessler gibt Ideen für drei Szenen.
Szene 1 Wutausbrüche rund ums Tablet
Lydia (5) darf am Wochenende morgens mit dem Tablet spielen. Sobald sie es aber weglegen soll, folgt ein Wutanfall. Wie können wir reagieren?
Martin Gessler: In Ihrer Familie haben Sie sich mit Ihrer Tochter auf die Regel geeinigt, dass sie nur am Wochenende spielt. Weniger klar ist, wann die Spielzeit um ist. Überlegen Sie sich doch einmal, welchen Zeitrahmen Sie angemessen finden. Dann können Sie diesen gemeinsam in einen Zeitbegriff übersetzen, den Ihr Kind versteht.
Dabei gilt: Eine Sanduhr oder die Dauer eines Musikstücks verstehen Kinder viel früher als eine Digitalanzeige. Sie können auch nach geeigneten Spielsituationen suchen, in denen das Aufhören leichterfällt: Zum Beispiel nicht unmittelbar nach einem verlorenen Spiel oder vor dem grossen Finale. Hilfreich kann auch eine Vorwarnung sein, etwa mit einem Wecker, Gong oder Lied. Zu Beginn brauchen Kinder oft Begleitung, bis solche neuen Abmachungen gut funktionieren. Setzen Sie sich daher nach dem Gong, Wecker oder Lied ruhig neben Lydia hin, wiederholen Sie die vereinbarte Abmachung und bleiben Sie bei ihr oder mit ihr im Gespräch, bis Ihre Tochter bereit ist, das Tablet wegzulegen.
Als Idee: Auch wir Erwachsene werden ungern beim Spielen unterbrochen. Suchen Sie gemeinsam nach Übergangsritualen, die es Ihrer Tochter erleichtern, sich einer anderen Beschäftigung zu widmen. Zum Beispiel: ein Glas Wasser trinken, eine Minute im Zimmer herumhüpfen oder tanzen.
Szene 2 Zeit vergessen
Esteban (7) trödelt jeden Morgen lange herum. Das führt regelmässig zu Stress, um pünktlich in der Schule zu sein. Früher aufstehen bringt nichts, er trödelt einfach länger. Hilfe beim Bereitmachen will er aber keine haben. Wie können wir ihn unterstützen, dass es besser klappt?
MG: Kinder wollen selbstständig Dinge bewältigen und in ihren Anstrengungen ernst genommen werden. Wenn wir ihnen Lösungen vorschreiben, geben wir ihnen zu verstehen, dass wir ihnen die Selbstständigkeit nicht zutrauen. Das kann frustrieren, zu Stress oder Widerstand führen. Überlegen Sie daher gemeinsam mit Ihrem Sohn, wie er sein Ziel am besten erreichen kann und wo er allenfalls noch welche Unterstützung braucht: Vielleicht hilft eine Zeitangabe durch Sie oder einen Wecker? Oder eine Checkliste, was er in welcher Reihenfolge am Morgen erledigen muss? Wollen Sie den Ablauf eine Woche lang gemeinsam angehen, bevor er es drei Mal allein versucht?
Bedenken Sie: Solange wir Eltern uns allein für die Pünktlichkeit verantwortlich fühlen, setzen wir uns selbst unter Druck, während sich das Kind unbeteiligt fühlt. Rechtzeitig in der Schule zu erscheinen, liegt aber zum grossen Teil in der Verantwortung des Kindes. Denn auch wenn wir es genügend früh losschicken, kann es sich auf dem Schulweg ablenken lassen und trotzdem zu spät kommen.
Szene 3 Ungebremste Geschwister
Sam (4) und Tamara (6) sind Energiebündel. Sie sollen aber nicht in der Wohnung herumrennen. Dabei gab es schon Verletzungen und Sachen sind zu Bruch gegangen. Sie halten sich aber überhaupt nicht daran. Wenn wir sie als Konsequenz für eine Weile in ihr Zimmer schicken, brüllt die Ältere herum und der Jüngere weint. Kaum sind sie wieder draussen, rennen sie dennoch wieder herum wie die Wilden.
MG: Als Eltern haben Sie die Verantwortung für die Sicherheit Ihrer Kinder und die wollen Sie sorgfältig wahrnehmen. Setzen Sie sich in einem ruhigen Moment mit Ihren Kindern zusammen. Schildern Sie Ihre Befürchtungen. Und fragen Sie Ihre Kinder, was sie in diesen Momenten bewegt hat: Sind sie wütend oder enttäuscht und suchen ein Ventil, um Dampf abzulassen? Ist ihnen langweilig und sie brauchen «Action»? Dafür gäbe es sicher andere Lösungen, die Sie gemeinsam herausfinden können. Lassen Sie Ihre Kinder Vorschläge machen, was die Konsequenzen sind, wenn sie die neuen Abmachungen nicht einhalten. Und besprechen Sie nach einer gewissen Zeit zusammen, was an der neuen Regel gut funktioniert und was weniger.
Bedenken Sie: Wenn wir selber wütend sind, ist es sinnvoll, den Kontakt mit dem Kind für einen Moment zu unterbrechen. Dabei gilt: Selbst ein Timeout zu nehmen, ist etwas anderes, als den anderen auf die Strafbank zu schicken. Und: Kinder ins Zimmer zu schicken, führt oft dazu, dass sie sich eher abgelehnt als verstanden fühlen. Sie lernen dabei nicht, ihr Verhalten zu ändern.