Mitentscheiden vs. Machtwort

Wie viel Mitsprache der Kinder ist sinnvoll?

«Was möch­test du essen?» «Möch­test du jetzt essen oder noch ein wenig spielen?» «Soll ich die Avocado kaufen, die magst du doch? Oder lieber eine Banane?» Enga­gierte Eltern holen bei Entschei­dun­gen oft das Einver­ständ­nis ihrer Kinder ab. Doch zu viel Mitspra­che kann Kinder über­for­dern. Was zählt, ist die Balance zwischen Mitspra­che der Kinder und Macht­wort der Eltern.

Das Recht der Kinder ange­hört zu werden, ist in der UN-Kinder­rechts­kon­ven­tion fest­ge­hal­ten. Kinder in Entschei­dun­gen mitein­zu­be­zie­hen, fördert ihren Selbst­wert, ihre kogni­ti­ven Fähig­kei­ten und ihre Sozi­al­kom­pe­tenz. Sie entwi­ckeln Respekt sich selbst und anderen gegen­über. Sie lernen so, ihre Bedürf­nisse wahr­zu­neh­men und dafür einzu­ste­hen.

Eltern, die den Fami­li­en­all­tag an den Wünschen der Kinder ausrich­ten, über­tra­gen ihnen die Verant­wor­tung für das Wohl der Familie. Zu viel (Entscheidungs-)Freiheit oder zu viele Wahl­mög­lich­kei­ten über­for­dern Kinder. Sie wissen zwar oft, worauf sie gerade Lust haben, aber sie kennen nicht immer ihre eigent­li­chen Bedürf­nisse.

Je älter Kinder werden, desto anspruchs­vol­lere Entschei­dun­gen können sie treffen. Die Mitbe­stim­mung muss dem Alter der Kinder ange­passt und auch geübt werden. Kinder brau­chen Eltern, die sie dabei unter­stüt­zen und zu ihrem Wohl handeln, aber auch eigene Bedürf­nisse nicht verges­sen. Statt «Was möch­test du zum Abend­essen?» können Eltern fragen «Ich habe heute Lust auf Spaghetti. Ist das in Ordnung für dich?». So teilen sie ihre eigenen Bedürf­nisse mit und bezie­hen das Kind in die Entschei­dung mit ein.

Eltern können Entschei­dun­gen auch durch eine Vorauswahl verein­fa­chen: «Möch­test du heute zuerst auf den Spiel­platz und dann in die Biblio­thek oder umge­kehrt?» So fühlt sich das Kind respek­tiert, freut sich über die Frei­heit seiner Entschei­dung und weiss, dass es dabei nichts verlie­ren kann.

Fällt die Entschei­dung des Kindes anders aus als die der Eltern, kann dies zu Konflik­ten führen. Wenn Eltern die Entschei­dung des Kindes nicht respek­tie­ren, ist es enttäuscht, fühlt sich nicht ernst genom­men und reagiert häufig mit einem Wutan­fall. Hilf­rei­cher ist es, wenn die Eltern Alter­na­ti­ven anbie­ten und gemein­sam eine Lösung suchen.

Manche Themen sind für Eltern nicht verhan­del­bar. Das können beispiels­weise Tisch­ma­nie­ren sein, Hygie­ne­re­geln oder Schla­fens­zei­ten. Eltern erleich­tern sich und ihren Kindern das Zusam­men­le­ben, wenn sie sich bewusst sind, bei welchen Entschei­dun­gen die Kinder mitein­be­zo­gen werden und bei welchen die Eltern die Regeln vorge­ben.

Mitspra­che erfor­dert immer Diskus­sion und Ausein­an­der­set­zung. Aber sie fördert lang­fris­tig die Harmo­nie in der Familie – und Kinder lernen, Verant­wor­tung zu über­neh­men.

Jasmin Gygi, Psychologin und Erziehungsberaterin im kjz Meilen

Jasmin Gygi

Jasmin Gygi ist Psychologin und hat zunächst als Eltern- und Erwachsenenbildnerin bei der Geschäftsstelle Elternbildung des Amtes für Jugend und Berufsberatung gearbeitet. Nun ist sie im kjz Meilen als Erziehungsberaterin tätig und berät dort Eltern zu Erziehungsthemen und Fragen rund um den Familienalltag.