In unseren Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) finden regelmässig Kurse, Workshops, Gesprächsgruppen und andere Veranstaltungen für Eltern statt.
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Getrenntlebende Eltern entscheiden sich immer häufiger für die alternierende Obhut. Dabei lebt das Kind abwechselnd bei der Mutter und beim Vater, und die Eltern teilen sich die Verantwortung. Dieses Betreuungsmodell bringt jedoch einige Herausforderungen mit sich. Hier gibt es Anregungen.
Nach einer Trennung können sich Eltern für unterschiedliche Betreuungsmodelle entscheiden. Eines davon ist die alternierende Obhut. Bei diesem Modell sind beide Eltern gemeinsam dafür verantwortlich, sich um das Kind zu kümmern und wichtige Entscheidungen für sein Leben zu treffen.
Die wichtigsten Merkmale der alternierenden Obhut sind:
- Das Kind lebt abwechselnd bei beiden Elternteilen und hat bei beiden ein Zuhause. Zum Beispiel verbringt es immer eine Woche bei der Mutter und eine beim Vater.
- Die Eltern teilen sich abwechslungsweise die Verantwortung. Diese liegt immer bei jenem Elternteil, der das Kind gerade hat.
Die Aufteilung lässt sich auch anders regeln. Vielleicht passt es für ein Elternpaar besser, wenn das Kind 70 Prozent der Zeit bei einem Elternteil verbringt und 30 Prozent beim anderen. Hier kommt es auf die persönlichen Lebensumstände an.
Die Herausforderungen bleiben aber immer gleich: Das Kind ist in zwei Lebenswelten zuhause – und beide Elternteile entscheiden in Erziehungsfragen.
Wie kann das funktionieren? Dazu gibt es Anregungen von Adrian Weiss, Elternbildner beim Amt für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich. Er betont: «Damit dieses Modell gelingt, brauchen Kinder eine sichere emotionale Bindung zu beiden Elternteilen.»
Herausforderung: zwei Lebenswelten
Generell finden sich Kinder gut in zwei Lebenswelten zurecht. Der Wechsel gelingt ihnen am besten, wenn beide Elternteile das Modell der alternierenden Obhut akzeptieren und dahinterstehen.
Grundvoraussetzung dafür ist: Sie müssen dem Kind die Zeit bei der Ex-Partnerin / beim Ex-Partner gönnen. Konkret: Eltern sollten dem Kind vor der Übergabe kein schlechtes Gewissen machen. Das geschieht vielfach unbewusst durch Äusserungen wie «Ohne dich ist es so leer im Haus» oder «Ich werde dich sehr vermissen». Das Kind gerät dann in einen Loyalitätskonflikt: Wenn ich bei Papi bin, ist Mami traurig. Natürlich darf man es schade finden, dass man sein Kind nach einer Trennung seltener sieht – das sollte aber nicht beim Kind deponiert werden. Besser sind positive Aussagen zur Übergabe, wie: «Ich werde dich vermissen, aber ich freue mich auch, kannst du jetzt Zeit mit dem Papa / der Mama verbringen.»
Dass Kinder nach der Übergabe eine gewisse Anpassungszeit brauchen, um im «neuen» Zuhause anzukommen, ist normal. Wenn sich ein Kind aber schwertut mit dem Wechsel, kann ein Ritual helfen. Kleinen Kindern kann etwa ein Plüschtier helfen, das sie immer von einem ins andere Zuhause begleitet. Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann ein Talisman diese Funktion übernehmen – oder ein Lieblingssong, der jeweils bei der Autofahrt von einem zum anderen Elternteil läuft.
Unterschiedliche Hausregeln
Bei der Mutter hat Hannah (9) eine Stunde pro Tag Bildschirmzeit. Beim Vater darf sie länger surfen und gamen. Wie lässt sich Streit vermeiden?
Tipp: Hannah muss Klarheit haben, was bei wem gilt. Und: Wenn sie beim Vater länger surfen darf, sollte sie kein schlechtes Gewissen haben. Das bedeutet: Beide Elternteile müssen die Regeln im eigenen Haushalt klar kommunizieren und die Regeln im jeweils anderen Haushalt akzeptieren.
Herausforderung: Kommunikation
Eltern sollten ihr Kind emotional auf eine Übergabe vorbereiten. Wenn es zum Beispiel am Nachmittag beim Vater ins Spielen vertieft ist, sollte er das Kind daran erinnern: «Am Abend kommt das Mami, um dich abzuholen.» Das Kind kann sich dann darauf einstellen und wird nicht überrumpelt, wenn es heisst: «Los jetzt, das Mami wartet.» Genauso sollten Wochenend- und Festtagspläne mit Vorlauf kommuniziert werden.
Besonders belastend ist es für ein Kind, wenn die Eltern streiten. Das passiert bei der mündlichen Kommunikation rasch einmal und kann dazu führen, dass Übergaben mit gegenseitigen Vorwürfen enden. In konfliktreichen Beziehungen ist es daher hilfreich, die Kommunikation aufs Wesentliche zu beschränken: bei den Fakten bleiben und allenfalls besser schriftlich kommunizieren. Ein E-Mail oder ein SMS für die Übergabe könnte so lauten: «Tim hatte zwei Tage leichtes Fieber und hat eine strenge Woche hinter sich, jetzt geht es ihm aber wieder besser.» Weniger ist mehr.
Die Idee dahinter: Wer bei den Fakten bleibt, klammert viele potenzielle Streitpunkte aus. Und: Bei der schriftlichen Kommunikation muss das Gegenüber nicht sofort reagieren. Wenn sich zum Beispiel ein Vater nach dem Lesen eines SMS aufregt, kann er durchatmen, sich beruhigen und erst danach zurückschreiben.
Streit bei Übergaben
Die Eltern von Jonas (5) sind zerstritten. Jedes Mal, wenn sie sich für die Übergabe treffen, wird es laut. Was können sie besser machen?
Tipp: Jonas’ zuliebe sollten die Eltern die Übergabe kurz halten. Zum Beispiel wird er jeweils bis zur Haustür des anderen Elternteils gebracht und dort verabschiedet – ohne dass die Eltern miteinander sprechen. Stattdessen schreiben sie sich ein SMS mit den wichtigsten Informationen.
Herausforderung: Flexibilität
Eltern vereinbaren Regeln und Zeiten, wann das Kind bei wem ist – sie sollten aber auch offen für Ausnahmen sein. Vielleicht erfolgt die Übergabe normal um 17 Uhr, doch nun will die Mutter das Kind für einmal schon um 16 Uhr abholen, damit es die Grossmutter im Altersheim besuchen kann. Hier sollte der Vater flexibel sein – im Wissen, dass auch er einmal froh sein wird, wenn ihm die Mutter entgegenkommt.
Das Wochenprogramm von Kind und Eltern ändert sich ohnehin mit den Jahren. Womöglich beginnt die Tochter mit Tischtennis und hat neu einmal pro Woche Training. Ideal wäre es, wenn die Eltern ihm dieses Hobby gönnen, anstatt zu denken: «Das ist doch mein Abend mit ihr, den will ich nicht hergeben.»
Grundsätzlich gilt: Beide Elternteile sollten grosszügig miteinander sein, anstatt mit der Stoppuhr zu messen, wer wie viel Zeit miteinander verbringt. Sind die Eltern zerstritten, ist das jedoch nicht immer möglich. In solchen Situationen ist es besser, den vereinbarten Plan strikt einzuhalten. Das ist für das Kind weniger belastend, als wenn jede Übergabe in einer wüsten Szene endet.
Festtagsprogramm
Weihnachten steht vor der Tür, Noah (8) freut sich schon. Was müssen seine Eltern regeln?
Tipp: Noah sollte im Voraus wissen, bei welchem Elternteil er an welchem Tag feiert. So kann er sich emotional darauf vorbereiten. Das bedeutet: Die Eltern müssen das Festtagsprogramm möglichst früh aushandeln. Und vielleicht können sie bei der Gelegenheit auch Geschenkideen besprechen, um ein «Wettrüsten» zu vermeiden.
Wo gibt es Unterstützung?
Die alternierende Obhut verlangt Eltern einiges ab. Sie müssen in ständigem Kontakt bleiben, sich absprechen und koordinieren. Wenn sie sich in einem Streitpunkt nicht einigen können, kann eine neutrale Vermittlungsperson Unterstützung bieten. Im Kanton gibt es diverse Beratungsangebote für getrennt lebende Eltern.
Je nach Kanton müssen Eltern bei einer Trennung oder Scheidung unterschiedlich vorgehen. Auf der Website des Kantons Zürich finden Sie Informationen, Anlaufstellen und Unterstützung für alle anstehenden Schritte.
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