Das sagt die kjz-Expertin

Ausziehen – wie wohnen nach der Trennung?

Ist der Trennungsentscheid gefällt, bleibt die Frage: Wie nun weiter? Verschiedene Wohnmodelle bewähren sich. Die kjz-Expertin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Simone Gruen-Müller gibt Ideen, worauf Eltern rund um den Auszug und das weitere Wohnen achten können.

In Kürze

  • Je nach Familie passt nach einer Trennung ein anderes Wohnmodell am besten.
  • Wichtig ist, alle Bedürfnisse und Bedingungen vorher gut zu klären.
  • Besonders die Übergänge zwischen den Elternteilen sollten gut gelöst werden.
  • Kinder brauchen bei Veränderungen Sicherheit, Verlässlichkeit und möglichst wenig Stress.

Um das passende Wohnmodell zu finden, muss die eigene Situation gut gemeinsam durchgedacht werden. Sind die Bedingungen für beide Elternteile denkbar? Und wie ist es für die Kinder? Ziel ist stets, dass die Kontinuität möglichst gross und die Zusatzbelastung für die Kinder gering ist. Bei jeder gewählten Lösung sollten sich Eltern zudem bewusst sein, dass sich die Bedürfnisse der Kinder mit der Zeit ändern. Es ist wichtig, die nötige Offenheit dafür zu zeigen.

Verschiedene Wohnmodelle

  • Bei den abwechselnden Wochenenden leben die Kinder grösstenteils mit einem Elternteil. An den Wochenenden wechseln sie sich ab. Kleinen Kindern gibt das Regelmässigkeit und Stabilität. Das Ankommen und Vertrautwerden am neuen Ort braucht allerdings jeweils Zeit. Je nach Alter und Kind kann der Abstand zwischen zwei Wochenenden daher fast zu gross sein. Dann empfiehlt es sich, dass sie den ausgezogenen Elternteil auch in der Zwischenzeit einmal sehen können. Etwa indem sie zusammen den Schwimmkurs besuchen oder einen Mittwochnachmittag verbringen. Bei viel Abstand ist es umso wichtiger, dass alle Abmachungen verlässlich sind.
  • Beim Nestmodell bleiben die Kinder am gewohnten Ort und die Eltern wechseln sich im gemeinsamen Zuhause ab. Erfahrungswerte zeigen, dass sich das Nestmodell für Kinder bewährt. Es gibt für sie so nur ein Zuhause und sie werden vom vielen Packen, Planen und Aufbrechen entlastet. Die Übergänge müssen den Eltern aber gut gelingen. Dabei fallen viele zusätzliche Absprachen an: Wer füllt wann den Kühlschrank, welche Regeln gelten, wie soll die Ordnung aussehen etc.
  • Beim Wechselmodell pendeln die Kinder hin und her in Form von Mama- und Papatagen oder Papa- und Mamawochen. Hier braucht es von Kindern die Angewöhnung an zwei Zuhause und sie schultern den ständigen Wechsel dazwischen. Die Wohnorte sollten daher nicht weit voneinander entfernt liegen. Die Aufteilung zwischen den Eltern ist mindestens 30 zu 70 Prozent, idealerweise 50 zu 50. Die Verantwortung liegt dabei immer bei dem Elternteil, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Für Schulen etwa wechselt daher die Ansprechperson von Tag zu Tag oder Woche zu Woche. Bei der Ausgestaltung gibt es diverse Varianten. Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Betreuungslösungen und ihre entsprechenden Folgen bezüglich Kosten, Aufwand pro Elternteil etc. gut abgesprochen und auf das Wohl des Kindes abgestimmt werden. Das braucht stetige Auseinandersetzung und Austausch. Denn Änderungen in den Lebenssituationen der Eltern können schnell zu Konflikten führen. Dieses Modell wird immer häufiger gewählt.

Den Auszug eines Elternteils handhaben

Für jede Familie stimmt beim Auszug eines Elternteils nach einer Trennung eine andere Lösung. Manchen Eltern gelingt dieser Schritt gemeinsam. Sie richten die neue Wohnung vielleicht gar alle miteinander ein und treffen sich weiterhin zum Essen als Familie. Wenn das neue Zuhause des einen Elternteils nicht jedes Mal mit Spannungen verbunden ist, erleichtert das den Kindern die Umstellung.

Andere möchten lieber mit den Kindern wegfahren, während der eine Elternteil auszieht. Das ist verständlich. Kinder sollten aber trotzdem an der Veränderung beteiligt sein. Etwa indem sie auch eine Schachtel mit Gegenständen packen und mitgeben dürfen. So gehören sie von Beginn an zur neuen Wohnung dazu.

Am wichtigsten ist für Kinder die Botschaft: «Selbst wenn wir als Familie nicht mehr wie früher zusammen am gleichen Ort leben – du darfst trotzdem weiterhin beide Eltern gleich lieb haben.» Zwei Zuhause – die Umstellung braucht Zeit

Die Angewöhnung an eine neue Wohnsituation ist für Kinder oft eine Herausforderung, egal in welcher Form. Das braucht vor allem eines: Zeit. Wichtig ist, stets die Bedürfnisse des Kindes in den Vordergrund zu stellen. Die Tage müssen nicht von Anfang möglichst gleichmässig aufgeteilt sein. Viel entscheidender ist, dass beide Elternteile unbelastet Zeit mit den Kindern verbringen. So erfahren Kinder die notwendige Sicherheit und Verlässlichkeit.

Wie die Übergänge zwischen den Elternteilen gelingen

Kinder müssen nach einer Trennung zwiespältige Gefühle bewältigen. Je jünger sie sind, desto weniger sind sie allerdings fähig, ihre Gefühle zu verstehen und zu bewältigen. Es hilft, wenn besonders die Übergänge zwischen den Eltern möglichst stressfrei ablaufen. Steht der Wechsel zum anderen Elternteil bevor, helfen Worte wie: «Ich merke, es geht ganz viel in dir vor. Du bist nervös und aufgeregt, und das ist auch völlig in Ordnung. Du weisst, dass eine Veränderung auf dich zukommt und das macht unruhig. Aber das darf so sein.» Das hilft Kindern, ihre Gefühle einzuordnen. Eltern vermitteln damit Orientierung und Sicherheit.

Manchmal helfen auch Fragen wie «Was würde dir im Moment helfen?» oder konkrete Vorschläge: «Würde es dir jetzt guttun, wenn ich dich in den Arm nehme und fest drücke?» - «Sollen wir gemeinsam im Kopf das Ankommen oder Einschlafen am neuen Ort durchgehen?»

Streit bei Übergängen

Übergaben können schnell zu Streit führen, wenn Eltern sie nutzen, um noch andere Dinge zu besprechen oder loszuwerden. Für Kinder ist das aber ein grosser Zusatzstress. Solche Anliegen sollen am Telefon oder an Treffen ohne Anwesenheit des Kindes besprochen werden. Von Nachrichten ist eher abzuraten, da sie ein emotionales Hin und Her fördern können.

Sind Eltern von der Trennung zu belastet, gibt es Alternativen für die Übergabe. Beispielsweise können sie die Kinder am Ende der gemeinsamen Zeit zu den Grosseltern oder anderen Vertrauenspersonen bringen, wo sie vom jeweilig anderen Elternteil ohne Überschneidung abgeholt werden.

Auch der Wechsel zurück braucht Zeit

Beim Wechsel zurück sind erneut viele Gefühle im Spiel: Kinder haben am neuen Ort viel Neues erlebt, neue Erfahrungen gemacht, müssen sich vom einen Elternteil verabschieden, spüren bei der Übergabe die Erwartungen oder Spannungen der Eltern etc. Oft macht sie das überdreht oder sie reagieren mit Unruhe, Anspannung und Gereiztheit. Es hilft, Kinder nicht sofort nach Ankunft nach den vergangenen Tagen zu befragen. Das überfordert.

Was Kinder nun brauchen, ist sehr unterschiedlich. Die einen brauchen erst Zeit alleine in ihrem Zimmer. Andere müssen sich als Erstes vergewissern, dass alles zuhause noch genau wie vorher ist. Manche möchten ganz lange gehalten und gedrückt werden. Wichtig ist, auf das jeweilige Bedürfnis einzugehen und Zeit zu lassen. Besonders kleinen Kindern hilft es, ihnen Worte für ihre Gefühle zu geben. Zum Beispiel: «Ich merke, du bist traurig oder wütend. Vielleicht machst du dir Sorgen, dass Papa nun ganz alleine ist. Aber weisst du, Papa kann das. Wir Erwachsenen können gut zu uns selber schauen, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.»


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