Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-BeratungsangebotIhr Sohn hat wieder genau dann einen Wutanfall, wenn Sie eh schon knapp dran sind? Ihre Tochter will mal wieder länger gamen als abgemacht und ignoriert Sie eisern? Und Sie sollten – mal wieder – ruhig bleiben, Verständnis haben? Nicht immer einfach.
Ist man als Eltern im Stress, ist es schnell passiert: Das Kind tobt oder macht nicht wie gewünscht mit und die eigene Fassung – geht verloren. Man würde das Kind am liebsten packen, flucht oder lässt ungewollt Dampf ab: «Es ist echt mühsam mit dir!»
Was hilft, die eigene Belastung in schwierigen Momenten nicht am Kind auszulassen?
Drei Gedanken vorweg
Damit Momente von Stress, Überforderung, Frust oder Ärger nicht zu häufig vorkommen, kann Folgendes helfen:
- Zeit verschaffen. Viele ungewollte Reaktionen passieren unter Zeitdruck. Vorbeugen können Sie daher, indem Sie den Alltagsstress reduzieren: den Tag klar strukturieren mit genügend Zeit, Pausen, eingespielten Abläufen und klaren Regeln. Mehr dazu hier.
Wird es dennoch einmal hitzig, hilft, sich Zeit zu verschaffen. Zum Beispiel mit Aussagen wie «Damit bin ich nicht einverstanden. Ich möchte darüber nachdenken, wir schauen es morgen an» oder Handlungen wie: ein Glas Wasser trinken, den Raum verlassen / an die frische Luft gehen (das Kind aber informieren, dass Sie kurz Zeit brauchen und in einer bestimmten Zeit wieder da sind), Fenster öffnen, Körper abklopfen, aufs WC gehen. - Slow-Motion-Modus einnehmen. Je gestresster Sie selbst sind, desto eher reagieren Sie unkontrolliert. Dabei gilt: Stress ist ein körperlicher Prozess. Alles, was Ihrem Körper signalisiert, dass eigentlich alles in Ordnung ist, hilft, ruhig zu bleiben. Werden Sie also langsam: langsam bewegen, langsam und tief reden, langsam atmen, sich setzen, zurück-, nicht nach vorne lehnen. Auch summen (leise für sich selbst) signalisiert Ihrem Körper: Hier besteht gerade keine Gefahr.
- Die Haltung einnehmen: Kinder müssen alles erst lernen können. Auch den Umgang mit eigenen Gefühlen, mit Stress und Streit oder die Fähigkeit, sich selbst herunterfahren und beruhigen zu können. Bedenken Sie dabei: Lernen braucht Zeit. Ihr Kind ist auf Ihre Geduld, Nachsicht und Unterstützung angewiesen. Reagieren Sie ungeduldig oder genervt auf vermeintliche Unzulänglichkeiten Ihres Kindes, bezieht es Ihre Reaktion schnell auf sich als Person. So läuft Ihr Kind Gefahr, mit der Zeit zu glauben: Ich bin fehlerhaft. Ich bin nicht gut genug.
Sie unterstützen Ihr Kind zum Beispiel, wenn Sie: das gewünschte Verhalten vorleben, die Haltung «Fehler sind okay», «Lernen braucht Zeit» vermitteln, Situationen in Ruhe nachbesprechen oder anstehende Herausforderungen und sich häufig wiederholende Konflikte vorbesprechen.
Trotz Stress konstruktiv bleiben
Sie merken, dass Sie dennoch allmählich die Fassung verlieren? Folgende Anregungen können helfen:
- Fokussieren Sie auf Werte, Regeln und gemeinsame Abmachungen. So passiert es Ihnen weniger, dass Sie sich in Vorwürfen oder Schuldzuweisungen verlieren.
Zum Beispiel: «Mir ist Zuverlässigkeit wichtig», «Ich will nicht, dass wir einander schlagen», «Wir haben abgemacht, dass …» - Finden Sie heraus: Worum geht’s? Wenn die Gefühle mit Kindern durchgehen, ist es schnell passiert, dass man ihre Reaktion als Eltern persönlich nimmt. Das schafft allerdings ein zweites Problem: Das Kind muss zusätzlich zu seinem eigentlichen Thema noch damit klarkommen, dass sich Mama oder Papa nun verletzt fühlen. Versuchen Sie stattdessen herauszufinden: Worum geht es bei meinem Kind gerade wirklich? So lernt Ihr Kind mit der Zeit, seine Gefühle selbst zu erkennen und eigene Lösungen zu finden.
Zum Beispiel: «Was geht in dir vor?», «Bist du traurig, wegen …?», «Bist du enttäuscht, weil …?», «Habe ich dich ungewollt verletzt oder übergangen, als …?», «Brauchst du gerade …?» - «Reframen» Sie im Kopf. Reframing meint: Setzen Sie das Verhalten Ihres Kindes gedanklich in einen neuen positiven Rahmen (Frame). So können Sie die Situation anders wahrnehmen und die Voraussetzung dafür schaffen, das Verhalten Ihres Kindes zu akzeptieren oder ihm aus der Situation herauszuhelfen.
Zum Beispiel: Den Gedanken «Mein Kind macht nicht mit» tauschen Sie aus mit «Mein Kind möchte selbstbestimmt mitentscheiden». Oder: «Mein Kind ist immer zu faul zum Mithelfen» ersetzen Sie mit «Mein Kind teilt seine Kräfte ein nach einem anspruchsvollen Schultag». - Geben Sie Ihrem Kind klar zu spüren, dass Sie die Verantwortung für Sie selbst tragen. Kinder möchten, dass es ihren Eltern gutgeht. Daher glauben sie bei Stress und Streit schnell, «Mama ist meinetwegen traurig» oder «Ich darf Papa nicht wütend machen». So laufen sie Gefahr, sich für das Wohl ihrer Eltern zuständig zu fühlen. Das schränkt sie in ihrer gesunden Entwicklung ein. Als Eltern entlasten Sie Ihr Kind von diesem Druck, wenn sie Vorwürfe und Schuldzuweisungen vermeiden und ihm klar zu spüren geben: Ich bin für mich selbst und meine Gefühle verantwortlich. Und ich komme soweit klar oder finde eine Lösung.
Das können Sie mit Worten wie:
- «Diesen Tag haben wir uns wohl beide anders vorgestellt. Nächstes Mal plane ich mehr Zeit ein.» (anstatt: «Jetzt hast du uns den ganzen Tag verdorben»)
- «Ich habe gerade wenig Nerven und brauche eine Pause. Wir reden in 15 Minuten nochmals.» (anstatt: «Du machst mich wahnsinnig», «Ich kann nicht mehr»)
- «Mir ist Ordnung wichtig und ich möchte, dass du dich beim Aufräumen beteiligst.» (anstatt: «Ich gebe mir immer eine solche Mühe! Und du?!»)
Sind Sie sehr angespannt, hilft ein bewusst gewählter Notausstieg
Den Notausstieg wählen bedeutet: Durchbrechen Sie den Moment. Wechseln Sie zum Beispiel kurz den Raum, rufen Sie eine Vertrauensperson an, atmen Sie tief in Ihren Bauch, zählen Sie von zehn rückwärts, konzentrieren Sie sich auf alle Ihre fünf Sinne (Was rieche ich? Welche Geräusche höre ich? Was fühlen meine Finger? Was macht meine Zunge? Was sehe ich im Hintergrund?).
Mehr dazu, wie Eltern Konflikte mit ihren Kindern durchbrechen können.
Und wenn es doch eskaliert?
Eltern sind keine Übermenschen. Es ist normal, wenn nicht jede Reaktion genau so gelingt, wie gewünscht. Und: Auch Eltern müssen laufend dazulernen. Wenn Sie also doch einmal die Beherrschung verlieren, bedenken Sie, Kinder können mit einer ungewollten Reaktion umgehen, solange sie von Ihnen die Gewissheit haben: Nichts kann etwas an meiner Liebe und Beziehung zu dir ändern. Auch dieser Konflikt nicht.
Wenn Eltern ausserdem kindgerecht aufzeigen, welche Gefühle und Umstände zur ungewollten Reaktion geführt haben, können Kinder diese einordnen und nachvollziehen.
Wichtig ist: Haben Sie die Kontrolle einmal verloren, entschuldigen Sie sich danach aufrichtig und fragen Sie nach, wie es sich für Ihr Kind anfühlte. Klären Sie offene Fragen und stellen Sie sicher, dass Sie möglichen verletzten Gefühlen Ihres Kindes Sorge tragen. So leben Sie gleichzeitig vor, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen.
Fit for Family
Familienleben ist herausfordernd. Spiel und Spass, Stress und Streit, alles gehört dazu. In diesem kostenlosen Angebot der Geschäftsstelle Elternbildung Kanton Zürich lernen Sie neue Handlungsmöglichkeiten für den Familienalltag kennen.
Übrigens, wie angespannt sind Sie von 1 bis 10?
Manchmal achten wir wenig auf unsere innere Anspannung. Fragen Sie sich ab und zu auf dem Heimweg von der Arbeit oder vor kritischen Zeiten im Alltag: Wo stehe ich gerade auf einer Stressskala von 1 bis 10? So können Sie den weiteren Verlauf bewusster steuern. Schieben Sie dann allenfalls eine Tätigkeit dazwischen, die Sie wieder einmittet. Drehen Sie eine Runde im Wald, teilen Sie mit, dass Sie nun einen ungestörten Moment beim Kochen brauchen, oder widmen Sie sich zum Beispiel für eine Weile Ihrem Balkon oder Garten. So können Sie aufkommenden Wind aus dem eigenen Segel nehmen.

Ist der Alltag zuhause öfters angespannt? Oder fühlen Sie sich oft erschöpft? Unsere erfahrenen Mütter- und Väterberaterinnen oder die Fachpersonen der Erziehungsberatung unterstützen Sie gerne im kjz in Ihrer Nähe.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit entstanden mit der Geschäftsstelle Elternbildung des Amts für Jugend und Berufsberatung, Kanton Zürich.