kjz-Sprechstunde

«Meine Tochter (14) ist in eine manipulative Beziehung zurückgekehrt. Was soll ich tun?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Meine Tochter (14) hatte sich vor ein paar Wochen von ihrem Freund getrennt. (Meiner Meinung nach ist er ein Narzisst.) Sie hatte erkannt, dass er ihr nicht guttut und dass diese Bezie­hung sie fertig macht. Er hat sie während der Tren­nung immer wieder ange­schrie­ben, ihr gedroht, ihr Schuld­ge­fühle verur­sacht. Jetzt ist sie wieder zu ihm zurück­ge­kehrt. Das führt zu Hause zu grossen Span­nun­gen. Mein Partner (nicht der leib­li­che Vater) mag den Freund nicht und möchte ihr den Kontakt zu ihm verbie­ten. Das ist ein grosses Streit­thema zwischen meinem Partner und mir.
Ich habe grade das Gefühl, dass meine ganze Welt in Scher­ben liegt und ich mein Kind und meinen Partner verliere. Was kann ich tun, um dies zu verhin­dern, und wie kehrt wieder Ruhe in unsere Familie ein?

Liebe Mutter

Die destruk­tiv erschei­nende Bezie­hung Ihrer Tochter zu ihrem Freund wirkt sich offen­bar sehr auf Ihre Familie aus. Sie schrei­ben, es fühle sich für Sie so an, als zerbrä­che Ihre Welt daran, und dass Sie sogar Angst hätten, deswe­gen Ihren eigenen Partner zu verlie­ren.

Ich entnehme Ihrer Anfrage verschie­dene Aspekte:

  1. Sie und Ihr Partner beur­tei­len die Bezie­hung Ihrer adoles­zen­ten Tochter zu ihrem Freund als proble­ma­tisch, da Sie aufgrund seines mani­pu­la­ti­ven Verhal­tens um ihr Wohl fürch­ten. Sie und Ihr Partner machen sich berech­tig­ter­weise Sorgen und schät­zen die Situa­tion erst einmal gleich ein.
  2. Wenn es nun um den Umgang mit der Situa­tion geht, wählen Sie und Ihr Partner aber unter­schied­li­che Ansätze. Während Ihr Partner ein klares Kontakt­ver­bot als gute Lösung sieht, bevor­zu­gen Sie einen anderen Weg.

    Der Umgang mit einer solchen Situa­tion ist für Bezugs­per­so­nen oft sehr heraus­for­dernd, anspruchs­voll und belas­tend. Sie sorgen sich, sie leiden mit, sie müssen aushal­ten, sie wollen helfen und schüt­zen, wünschen sich Kontrolle über das Gesche­hen, stehen aber an.

    Wichtig scheint mir, dass Sie Ihre Tochter im Umgang mit mani­pu­la­ti­vem Verhal­ten stärken und unter­stüt­zen, damit sie lernt, sich selbst vor destruk­ti­ven Bezie­hun­gen zu schützen.

    Kontaktverbote sind – entge­gen der Hoff­nung der Eltern – oft nicht ziel­füh­rend. Sie stärken Ihre Tochter nicht nach­hal­tig in Ihrer Kompe­tenz, Bezie­hun­gen zu gestal­ten. Das grosse Risiko von solchen Kontakt­ver­bo­ten ist auch, dass Jugend­li­che die Bezugs­per­so­nen nicht mehr als unter­stüt­zend wahr­neh­men und mit ihren Sorgen und Proble­men nicht mehr an sie gelan­gen. Ihre Tochter macht dann viel­leicht Dinge heim­lich und gerät noch mehr unter Druck.

    Langfristig sinn­vol­ler wäre daher, Ihre Tochter durch Gesprä­che im Umgang mit mani­pu­la­ti­vem Verhal­ten zu stärken: Dinge hinter­fra­gen, Befürch­tun­gen ausspre­chen, Werte thema­ti­sie­ren und ermu­ti­gen, für eigene Bedürf­nisse einzu­ste­hen. So weiss Ihre Tochter, dass sie mit Proble­men jeder­zeit zu Ihnen kommen kann und dass Sie sie unter­stüt­zen. Sie setzen zum Druck des Freun­des also keinen zusätz­li­chen Druck auf.
    Gerne weise ich Sie auch auf zwei frühere kjz-Sprech­stun­den zu diesem Thema hin. Sie finden diese weiter unten unter «Auch lesens­wert».
  3. Die Tatsa­che, dass Sie und Ihr Partner in dieser Ange­le­gen­heit zu unter­schied­li­chen Lösun­gen kommen, führt offen­bar zu Konflik­ten, die Sie sogar um die Bezie­hung fürch­ten lassen.

    Hilfreich wäre es, mehr in ein Mitein­an­der zu kommen, um das gemein­same Ziel – den Schutz Ihrer Tochter –, zu errei­chen. Wenn es Ihnen und Ihrem Partner gelingt, konstruk­tiv mit diesen Meinungs­ver­schie­den­hei­ten umzu­ge­hen, sind Sie Ihrer Tochter ein Vorbild darin, wie eine Bezie­hung positiv gestal­tet werden kann und jeder seine Meinung und seine Bedürf­nisse einbrin­gen kann.

Was könnte also hilf­reich sein?

Versu­chen Sie, in ruhigen Momen­ten das Gespräch mit Ihrem Partner zu suchen und mit ihm über den Umgang mit dieser Situa­tion zu reden. Gleich können Sie mit Ihrer Tochter verfah­ren. Spre­chen Sie Ihre Befürch­tun­gen und Ängste an und versu­chen sie alle, einan­der zuzu­hö­ren.

Gerne unter­stüt­zen wir Sie hierbei auch im kjz in Ihrer Nähe.

Annina Schmid (Erzie­hungs­be­ra­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».