Stress im Erziehungsalltag

Wie Eltern Konflikte mit Kindern durchbrechen oder vermeiden können

Im Fami­li­en­all­tag kommt es immer wieder zu Konflik­ten. Wie gelingt es, Eska­la­tio­nen und Verlet­zun­gen zu vermei­den? Zum Beispiel mit dem «Notaus­stieg auf der Wuttreppe» oder der Fünf-Finger-Methode. Eltern­bild­ne­rin Patri­zia Luger führt vier Anre­gun­gen aus.

«Klar habe ich schon viel Tumult mit meinen Kindern erlebt», sagt Patri­zia Luger lachend. «Da gibt es Tausende von Beispie­len.» Patri­zia Luger ist Eltern­bild­ne­rin und Mutter von drei Teen­agern. Konflikte zwischen ihren Söhnen etwa würden selbst die erfah­rene Eltern­bild­ne­rin auch heute noch manch­mal in den Wahn­sinn treiben.

Doch wenn Eltern in solchen Situa­tio­nen mit dem Blick beim Nega­ti­ven bleiben würden, liefen sie Gefahr, in eine Nega­tiv­spi­rale zu geraten, sagt die Eltern­bild­ne­rin: «Schon wieder hat das Kind nicht … Ständig muss ich … Jetzt habe ich doch schon hundert Mal …» Befinde man sich einmal in dieser Spirale, würden schnell einmal Gefühle verletzt. Das Resul­tat: Frus­triert, gekränkt oder traurig durch die Reak­tion der Eltern, reagiere das Kind viel wahr­schein­li­cher trotzig oder abweh­rend.

Vier Metho­den gegen die Eska­la­tion

Um aus der Spirale heraus- oder eben gar nicht erst hinein­zu­kom­men, gebe es Werk­zeuge, sagt Patri­zia Luger:

1 Auf der Wuttreppe den Notaus­stieg nehmen

Ich arbeite gerne mit dem Bild einer Wuttreppe: Darauf bin ich unter­wegs, Stufe um Stufe. Immer weiter nach oben Rich­tung Eska­la­tion. Auf der Wuttreppe gibt es aber immer einen Notaus­stieg. Nur wichtig: Diesen ­Ausstieg muss ich bereits vor dem Konflikt kennen. Ich muss mir also einmal in Ruhe über­le­gen: Mit welchem Verhal­ten können wir der Eska­la­tion sicher vorbeu­gen? Denn es gibt immer eine Alter­na­tive zum Schimp­fen oder Schreien.

Ein Beispiel: Bei einem meiner Söhne bewährte sich als er klein war ein Code­wort, das wir zusam­men abge­macht hatten. Sobald das Wort fiel, durften beide abbre­chen. Sogar einfach davon­lau­fen war erlaubt. Mein Sohn wählte den Begriff selbst. Lusti­ger­weise entschied er sich für «Notaus­stieg», da er einmal gesehen hatte, wie ich für einen meinen Kurse eine Wuttreppe aufzeich­nete. Die Treppe faszi­nierte ihn. Er fragte mich darüber aus und bestimmte es später als unser Code­wort.

Andere mögli­che Notaus­stiege: 3 Mal tief Luft holen, den Körper anspan­nen und wieder entspan­nen, kurz den Raum verlas­sen, bis 10 zählen

2 Den eigenen Fokus auf das Gute lenken: Fünf-Finger-Methode

Wenn sich Konflikte häufen und Eltern merken, dass sie schnell nur noch schwarz­se­hen, bietet sich zwischen­durch die Fünf-Finger-Methode an. Dabei setzen sie sich in einem ruhigen Moment mit dem Kind hin, zeich­nen seine Hand mit allen fünf Fingern auf ein Blatt Papier und schrei­ben in jeden gezeich­ne­ten Finger eine gute Eigen­schaft des Kindes. Dadurch wech­seln Eltern bewusst ihren Fokus im Sinne von: Ich will meinen Blick ändern. Und ich tue es nun auch. Das Kind muss nicht mithel­fen. Es darf dabei sein, zuhören - und daran wachsen. Denn wenn Kinder in konflikt­rei­chen Situa­tio­nen auch hören, was sie alles gut machen, gelingt der Umgang mit dem Schwie­ri­gen viel besser.

Kanto­na­ler Eltern­bil­dungs­tag Zürich

Der kanto­nale Eltern­bil­dungs­tag der Geschäfts­stelle Eltern­bil­dung findet einmal im Jahr statt. In Fach­re­fe­ra­ten und Work­shops zu Erzie­hungs­the­men erhal­ten Sie Anre­gun­gen für Ihren Fami­li­en­all­tag.

3 Die Okay-Okay-Haltung einneh­men

Ich unter­stütze Eltern gerne bei einer Okay-Okay-Haltung. Damit meine ich eine Haltung im Sinne von: Mein Kind ist okay, mit all seinen Gefühls­aus­brü­chen, Eigen­schaf­ten und Heraus­for­de­run­gen. Und genauso bin auch ich okay, mit all meinen Bedürf­nis­sen, Ecken und Kanten. In dieser Haltung gelingt es viel besser, sich gegen­sei­tig auf das Verhal­ten zu konzen­trie­ren. So greift man das Kind nicht als Person an und kann schnel­ler Lösun­gen finden. Diese Haltung auch im Ärger einzu­neh­men, ist nicht einfach. Aber man kann es üben. Und je vertrau­ter die Okay-Okay-Haltung in Situa­tio­nen ohne Streit ist, umso leich­ter ist sie auch in schwie­ri­gen Momen­ten einge­nom­men.

4 Regel­mäs­sig reflek­tie­ren

Regel­mäs­sige Refle­xion hilft gegen Konflikte. Dazu gehört zum Beispiel: Was melde ich meinem Kind täglich zurück? Nur das, was ich mir von ihm anders wünsche? Oder auch, was es gut macht? Sage ich ihm die posi­ti­ven Dinge oft genug? Und wie genau gebe ich ihm Rück­mel­dung, wenn ich mir ein anderes Verhal­ten wünsche? Bleibe ich wert­schät­zend? Oder werde ich vorwurfs­voll? Die vorwurfs­volle Kommu­ni­ka­tion findet oft in Form von Du-Botschaf­ten statt (Du machst immer … ), eine Form, in die wir nur allzu schnell rutschen können. Ich-Botschaf­ten hinge­gen (Ich wünsche mir … Mir fehlt … ) lassen Situa­tio­nen viel weniger eska­lie­ren.

Patrizia Luger Holenstein ist Kleinkinderzieherin und Erwachsenenbilnerin.

Patri­zia Luger Holen­stein

Patrizia Luger ist Eltern- und Erwachsenenbildnerin, Transaktionsanalytikerin und Supervisorin. Sie bietet Beratung an im psychosozialen Bereich für Einzelpersonen, Paare, Familien, Kinder und Jugendliche. Ein Schwerpunkt ist die Erziehungsberatung. Sie hält Workshops und Referate für Kindergärten, Kindertagesstätten und Horte und ist Elternbildnerin der Kursreihe «Starke Eltern – Starke Kinder». Patrizia Luger ist ursprünglich gelernte Fachfrau Betreuung Kind.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Kanto­na­len Eltern­bil­dungs­tags. Ähnli­che Kurs­in­halte werden auch als Teil der mehr­tei­li­gen Kurs­reihe «Starke Eltern – Starke Kinder» unter dem Dach von Kinder­schutz Schweiz ange­bo­ten.