Jugendgewalt im Kanton Zürich

Neue Studie verzeichnet Zunahme der Gewaltdelikte bei Jugendlichen

Die Jugend­ge­walt im Kanton Zürich hat in den letzten Jahren zuge­nom­men. Beson­ders deut­lich zeigt sich die Zunahme bei Raub, Erpres­sung und Sexu­al­de­lik­ten. Der Anstieg ist vor allem auf eine kleine Gruppe stark risi­ko­be­las­te­ter Jugend­li­cher zurück­zu­füh­ren, die inten­si­ver Gewalt ausüben. Dies sind die zentra­len Ergeb­nisse der Anfang Septem­ber erschie­ne­nen Studie «Entwick­lung von Gewalt­er­fah­run­gen Jugend­li­cher im Kanton Zürich 1999–2021».

Seit 1999 werden im Kanton Zürich rund alle sieben Jahre Jugend­li­che zu ihren Gewalt­er­fah­run­gen befragt. Die aktu­elle Studie weist im Vergleich zur letzten Studie von 2014 eine höhere Jugend­ge­walt im Kanton Zürich aus. Dies geht aus der Befra­gung von 4400 Jugend­li­chen im Alter von 13 bis 19 Jahren hervor. Sie wurde von der Koor­di­na­ti­ons­gruppe Jugend­ge­walt in Auftrag gegeben und von Mai bis Juni 2021 durch­ge­führt. Die Studie bestä­tigt den in der Krimi­nal­sta­tis­tik fest­zu­stel­len­den Trend der letzten Jahre: Jugend­ge­walt ist demnach nicht nur bei den poli­zei­lich regis­trier­ten Delik­ten ange­stie­gen, sondern auch in Bezug auf nicht erfasste Gewalt­er­fah­run­gen, von denen die Jugend­li­chen selbst berich­ten.

Gewalt verla­gert sich in öffent­li­chen Raum

Die Zunahme der Jugend­ge­walt zeigt sich in den meisten unter­such­ten Gewalt­for­men – beson­ders deut­lich bei Raub, Erpres­sung und Sexu­al­de­lik­ten. Zuge­nom­men haben sexu­elle Beläs­ti­gun­gen auch in der Schule, ebenso wie Beläs­ti­gun­gen über die sozia­len Medien. Im schu­li­schen Kontext ist insge­samt ein Anstieg des Mobbings zu verzeich­nen. Mit der Zunahme der Gewalt­de­likte ist auch die Anzahl an Gewalt­op­fern gestie­gen. Diese erleben zudem mehr Gewalt­ta­ten.

Die Detail­ana­ly­sen zu den Opfer­er­fah­run­gen von Jugend­li­chen zeigen eine Verla­ge­rung der Gewalt in den öffent­li­chen Raum. Vermehrt genannt werden Gewalt­tä­tig­kei­ten, die von unbe­kann­ten Perso­nen began­gen werden. Ange­stie­gen sind auch rassis­tisch oder reli­giös moti­vierte Gewalt­tä­tig­kei­ten sowie Konflikte zwischen Gruppen. Dementspre­chend geben Jugend­li­che ein erhöh­tes Unsi­cher­heits­ge­fühl an.

Wenige Jugend­li­che verur­sa­chen Gewalt­zu­nahme

Die Gewalt­zu­nahme ist vor allem auf den Anstieg der Delikte von Jugend­li­chen zurück­zu­füh­ren, die beson­ders risi­ko­be­las­tet sind. Wie die Studie zeigt, wird das Ausüben von Gewalt durch das Zusam­men­kom­men von persön­lich­keits­be­zo­ge­nen Fakto­ren (fehlende Sozi­al­kom­pe­tenz, gewalt­be­für­wor­tende Einstel­lung, patri­ar­chale Männ­lich­keits­nor­men) und frei­zeit­be­zo­ge­nen Fakto­ren (Konsum von media­len Gewalt­dar­stel­lun­gen, Ausgangs­häu­fig­keit, Alko­hol­kon­sum, Mitglied­schaft in gewalt­be­rei­ten Gruppen) begüns­tigt. Diese Gruppe der stark risi­ko­be­las­te­ten Jugend­li­chen ist seit der letzten Befra­gung gewach­sen. Somit sind ein wenig mehr Täter und Täte­rin­nen zu verzeich­nen als 2014 und diese sind tätli­cher als vor sieben Jahren.

Gewalt­prä­ven­tion und -inter­ven­tion sind zu verstär­ken

Die Ergeb­nisse der Studie zeich­nen ein deut­li­ches Bild und betonen den Bedarf an verstärk­ten Anstren­gun­gen im Bereich der Gewalt­prä­ven­tion und -inter­ven­tion. Bestehende Mass­nah­men sind weiter­zu­füh­ren und zu verstär­ken, weitere Mass­nah­men zu prüfen. Eine Verstär­kung der Präven­ti­ons­be­mü­hun­gen ist bereits verschie­dent­lich erfolgt. Zur Bekämp­fung von Jugend­ge­walt arbei­ten Schulen, Jugend­ar­beit, Präven­ti­ons­fach­stel­len, Polizei, Jugend­straf­rechts­pflege und andere Stellen, die mit Jugend­li­chen zu tun haben, im Kanton Zürich seit langem inten­siv zusam­men.

Hand­lungs­be­darf sieht das Studi­en­team im Bereich der Präven­tion von sexu­el­ler Gewalt und Mobbing an Schulen. Zudem ist die Früh­erken­nung und Früh­in­ter­ven­tion von grosser Bedeu­tung, um an den Ursa­chen der Entste­hung von Jugend­ge­walt anzu­set­zen.

Ladina Gart­mann

Ladina Gartmann hat Soziologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Sozial- und Präventivmedizin in Zürich und Kopenhagen studiert. Nach einigen Jahren in der angewandten Forschung ist sie seit 2017 als Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe vom AJB tätig und begleitet verschiedene Forschungs- und Pilotprojekte, u.a. die Erprobung der Methode Familienrat oder die beiden Greenhouse-Saatboxen «Care 4 Young Carers» und «Rudel der Löwinnen».