Trockenwerden – Eltern erzählen

Früh trocken – als die Bereitschaft da schien

Alle Kinder sind eines Tages ohne Windeln. Nur, wie gelan­gen sie dahin? In dieser Reihe erzäh­len Eltern, wie sie das Thema Trocken­wer­den ange­gan­gen sind.

Ein Erfah­rungs­be­richt von Kim Matt­mann*

Bei unserer ersten Tochter begann das Thema mit etwa zwei Jahren. Einige ihrer Freunde in der Krippe wurden trocken und andere Kinder gingen beim Spielen bei uns zuhause aufs WC. Das bekam Chloë mit. Ich war darüber erleich­tert, denn das Wickeln wurde zuneh­mend zum Spiess­ru­ten­lauf. Eines Morgens kam der Moment, als sie sagte: «Nei, kei Windle, diä stört mich!» Das las ich als Zeichen. Ich orien­tierte mich dabei an der Philo­so­phie, dass Kinder anzei­gen, wenn sie etwas lernen möchten, und in diesem Moment auch beson­ders aufnah­me­fä­hig sind. Eine halbe Stunde später ging Chloë tatsäch­lich aufs WC, als ob es nie etwas anderes gegeben hätte.

Bei Roya war es noch früher, sie war gerade 17 Monate alt und wir waren zu Besuch in einem Haus mit einem ausser­ge­wöhn­lich schönen WC. Als ich sie für die Fahrt nach Hause wickeln und ins Pyjama stecken wollte, hatte sie einen ausgie­bi­gen Schrei­an­fall. Sie wollte unbe­dingt auf dieses schöne WC sitzen. Also setzte ich sie drauf. Passiert ist nichts, aber ich las es wieder als Zeichen.

Der Anfang war inten­siv

In den ersten zwei Tagen ging alles in die Hosen. Aber Kinder sind ja zum Glück im ganz jungen Alter noch völlig ohne Scham­ge­fühle. Eher erstaunt bemerk­ten sie jeweils ihre nassen Kleider und ich thema­ti­sierte das Gesche­hen darauf­hin mit ihnen: «Gell, jetzt hast du nasse Hosen. Sag mir doch nächs­tes Mal, wenn du es kommen spürst, dann gehen wir aufs WC.» Ich habe versucht, das stets ermu­ti­gend zu sagen, nie vorwurfs­voll, beob­ach­tete sie aber auch jeweils aufmerk­sam, half aus, wenn ich sie stamp­fen oder die Knie zusam­men­drü­cken sah, und lief eigent­lich perma­nent mit dem Häfi in der Hand herum.

Am Anfang musste es immer schnell gehen: «Bisiiii!» und rennen. Wenn es trotz­dem einmal nicht mehr reichte, war mir eine möglichst unauf­ge­regte, schnelle Reak­tion wichtig: Schuhe ab, Hosen runter, wech­seln und weiter­spie­len. Unter­wegs hatte ich deshalb in der frühen Phase immer drei bis vier Garde­ro­ben dabei sowie das Häfi oder ein Sand­kas­ten­kes­seli. Sie machten aber so schnell Fort­schritte, dass bald genug Zeit blieb und keine Ersatz­gar­de­ro­ben mehr nötig waren. Nach zwei Wochen ging es viel­leicht noch einmal am Tag in die Hosen, nach zwei Monaten noch einmal in der Woche, nach zwei bis drei Monaten waren sie auch in der Nacht trocken.

Worte geben – in lusti­gen Unter­hal­tun­gen

Zu Beginn redeten wir viel darüber, was gerade passierte, wie es tönt, dass es plät­schert oder stinkt. Das führte immer zu lusti­gen Gesprä­chen und Roya winkte ihrem Bisi noch lange nach, wenn wir spülten. Ich hatte den Eindruck, ihnen Worte für das Gesche­hen zu geben, half dabei, dass ihre Wahr­neh­mung dafür klarer wurde.

Es gab aber auch immer wieder Tage, an denen nach länge­ren trocke­nen Phasen alles in die Hosen ging. Ich empfand diese Tage jedoch nicht als Rück­schritt. Kinder­tage sind ja so unglaub­lich dicht gefüllt mit Lern­erfah­run­gen – viel­leicht war gerade etwas anderes wich­ti­ger im Kopf. Trocken zu werden muss ja nichts Linea­res sein.

In der Krippe und Nacht lief es etwas anders

In der Krippe funk­tio­nierte es bei Chloë noch länger nicht. Es war eine recht grosse Krippe und wenn einmal etwas in die Hose ging, zogen sie ihr direkt Windeln an. Bei Roya lief es dagegen anfäng­lich auswärts fast besser als zuhause. Ihre Krippe war kleiner, die Betreue­rin­nen hatten mehr Zeit, sie bei diesem Prozess zu beglei­ten, und zogen von Anfang an total mit.

In der Nacht war mir der Stress zu gross. Wir liessen die Windeln daher so lange an, bis die Kinder sie selbst nicht mehr tragen wollten. Zu Beginn legten wir jeweils mehrere Moltons über­ein­an­der, sodass sicher nichts auf die Matratze ging.

Wir würden wieder auf solche Zeichen achten

Rück­bli­ckend denke ich, dass es richtig war, ihre Zeichen ernst zu nehmen. Roya war zwar noch sehr jung, aber es war doch erstaun­lich, wie schnell auch bei ihr alles ablief. Die Unter­stüt­zung der Krippe spielte dabei sicher eine grosse Rolle und es half zusätz­lich, dass bei Roya gerade der Lock­down im Jahr 2020 auf uns zukam und wir viel Zeit als Familie hatten – denn am Anfang waren wir wirk­lich sehr, sehr viel mit Pinkeln beschäf­tigt. Daher ist es sicher ratsam, die Akti­vi­tä­ten herun­ter­zu­schrau­ben und dem Umge­wöh­nen Raum zu geben.

Aber ich muss schon zugeben, wir nahmen viele Unfälle und Klei­der­wech­sel in Kauf und der Stress war zu Beginn gross, wenn wir das Haus verlies­sen. Man sitzt wie auf Nadeln, fragt sieben­hun­dert­mal: «Musst du Bisi machen?» und unter Leuten oder auf dem Spiel­platz ist es einem schon unan­ge­nehm, wenn etwas dane­ben­geht. Selbst wenn es dem Kind selber egal ist – man fühlt sich beob­ach­tet, fürch­tet das Urteil der anderen Eltern. Wenn man aber eines Tages vom Spiel­platz zurück­kommt und merkt, dass sich das erste Mal alles nur ums Spielen gedreht hat, ist das Gefühl gross­ar­tig.

Ich verstehe aber auch, wenn unser Weg nicht allen zusagt. Für uns stimmte es so als Familie, es war ein befrei­en­des Gefühl, ohne Ruck­sack voller Wickel­tü­cher und Windeln aus dem Haus zu gehen, und es machte alles einfa­cher, schlan­ker, unkom­pli­zier­ter. Diesen Prozess gemein­sam zu durch­le­ben, war uns den Stress zwischen­durch wert – auch ganz ohne die Einspa­run­gen bei den Windel­kos­ten auszu­rech­nen.

* Name geän­dert

Drei Empfeh­lun­gen von kjz-Exper­tin Linda Klein

  1. Zeit­punkt und Dauer des Trocken­wer­dens sind sehr indi­vi­du­ell. Den rich­ti­gen Zeit­punkt gibt es nicht, höchs­tens einen falschen; dann nämlich, wenn mehrere Anfor­de­run­gen auf einmal zusam­men­kom­men (Umzug, Krip­pen­wech­sel, neues Geschwis­ter etc.).
  2. Zwischen einein­halb bis fünf Jahren ist alles möglich, aufgrund des Kinder­gar­ten­ein­tritts wird das Trocken­wer­den aller­dings meist vor fünf­jäh­rig zum Thema.
  3. Das Wich­tigste ist, dass das Kind ohne Druck trocken werden kann.