Tipps von Hundetrainerin Monika Fasnacht

Kinder und fremde Hunde – Wie verhalten als Eltern?

Ihr Kind möchte am liebs­ten jeden flau­schi­gen Hund strei­cheln? Im Bus steigt ein riesi­ger Vier­bei­ner ein, Kopf genau auf Augen­höhe Ihres Kindes, und Sie fragen sich, wie Sie nun am besten reagie­ren? Manche Situa­tio­nen zwischen Kind und fremdem Hund machen unsi­cher. Hunde­trai­ne­rin Monika Fasnacht gibt Tipps für vier Szenen im Alltag.

Monika Fasnacht ist Hunde­trai­ne­rin und hat schon viele Situa­tio­nen zwischen Kindern und Hunden erlebt. Manche Kinder würden etwa unge­bremst auf jeden Hund zulau­fen, ohne auf seine Zeichen acht­zu­ge­ben. Hunde­hal­tende wiederum würden manch­mal komplett ausblen­den, wenn andere Kinder Angst vor Hunden haben. Sie sagt: «Oft gehen solche Situa­tio­nen gut aus, da viele Hunde gut erzogen sind. Manch­mal beob­achte ich aber Momente, da schau­dert es mich.»

Damit die Situa­tio­nen gut ausge­hen, gelte grund­sätz­lich: Die Erwach­se­nen müssen mitein­an­der reden. Denn die Verant­wor­tung liegt bei ihnen. Monika Fasnacht zeigt in vier alltäg­li­chen Szenen die Sicht des Hundes auf und gibt Eltern konkrete Tipps, wie sie sich verhal­ten können.

Szene 1 – Warte­zeit am hekti­schen Bahnhof

Ihr Kind möchte den Hund einer Hunde­hal­te­rin strei­cheln. Diese erlaubt es und sagt, er sei ganz lieb. Sie sind skep­tisch. Worauf sollten Sie achten?

Sicht des Hundes: Ist sich der Hund Kinder und die Hektik an Bahn­hö­fen gewohnt, gut sozia­li­siert und fried­lich, ist das grund­sätz­lich auch eine fried­li­che Szene für ihn. Wichtig ist aber: Hunde sind Rudel­tiere. Und bei Rudel­tie­ren gilt Rang­ord­nung. Kinder zählen dabei in der Regel als rang­nied­rie­ger – und alle Rang­nied­ri­gen dürfen zurecht­ge­wie­sen werden. Verhält sich das Kind also in seinen Augen unpas­send, wird er es mögli­cher­weise mass­re­geln. Und zwar mit jenen Mitteln, die ihm dafür zur Verfü­gung stehen. In seinem Fall ist das die Schnauze. Da die Schnauze bei Kindern oftmals auf Kopf­höhe ist, kann die Szene grund­sätz­lich heikel sein. Ist der Hund aber gut sozia­li­siert und erzogen, wird er vorgän­gig Warn­zei­chen geben.

Tipps für Eltern: Grund­sätz­lich sollte mit der Hunde­hal­te­rin bespro­chen werden: Was mag der Hund? Um ihm die Begeg­nung ange­nehm zu machen, sollte der Kontakt immer von vorne aufge­nom­men werden. Hunde sind visu­elle und nasen­ori­en­tierte Tiere. Wie wir auch, mögen sie es nicht, wenn man sich von hinten an sie heran­schleicht.

Weisen Sie das Kind an, ihm langsam von vorne die Hand entge­gen­zu­stre­cken. Mit einer freund­li­chen Beschnup­pe­rung kann sich der Hund mit der Nase Infor­ma­tio­nen holen. Danach kann gestrei­chelt werden, was zuvor bespro­chen wurde.

Warn­zei­chen sind, wenn der Hund seinen Kopf abwen­det oder sich seine Körper­hal­tung versteift. Ein klares Warn­si­gnal ist auch das Knurren. In diesen Fällen darf nichts provo­ziert werden und das Kind muss den Kontakt sofort abbre­chen.

Wichtig: Die Eltern haben die Verant­wor­tung für das Kind, die Hunde­be­sit­ze­rin für den Hund. Sagt sie, der Hund sei sich Kinder gewohnt, dann muss das auch zutref­fen. Im Zwei­fels­fall muss sie ihre Verant­wor­tung wahr­neh­men und den Kontakt vorgän­gig ableh­nen.

Szene 2 – Im Bus

Sie stehen mit Ihrem Kind im voll­be­pack­ten Bus. Ein Hunde­hal­ter steigt mit einem grossen Hund ein. Der Hund hat seinen Kopf genau auf Augen­höhe Ihres Kindes. Ihr Kind hat Angst, kann mangels Platz aber nicht auswei­chen.

Sicht des Hundes: Hunde suchen keine Schwie­rig­kei­ten. Viele Leute, wenig Platz, Kinder­wa­gen, die das Durch­kom­men erschwe­ren, allen­falls gar Kinder­ge­schrei – eine solche Situa­tion ist für sie aber genauso ein Stress wir für uns. Und im Stress reagie­ren wir unvor­her­seh­bar. Ist sich der Hund diese Situa­tion nicht gewohnt, sollte der Hunde­hal­ter daher gar nicht erst mit ihm in einen voll­be­pack­ten Bus einstei­gen.

Tipps für Eltern: Treffen Kind und Hund in einer Situa­tion aufein­an­der, mit der beide über­for­dert sind, kann es eska­lie­ren. Solange Sie nicht wissen, ob sich der Hund an voll­be­packte Busse gewohnt ist, sollten Eltern ihr Kind vorsorg­lich auf den Arm nehmen, insbe­son­dere wenn es Angst vor Hunden hat.

Szene 3 – Ein Hund auf Besuch

Sie erwar­ten Besuch mit einem jungen Hund. Ihre Kinder freuen sich sehr darauf, mit ihm zu spielen. Welche Vorsichts­mass­nah­men sollten Sie treffen und was sollten Ihre Kinder beim Spielen beach­ten?

Sicht des Hundes:  Der Hund ist noch jung. Das heisst, die Situa­tion ist neu für ihn und kann ihn mitun­ter über­for­dern. Wie er damit umgehen wird, ist nicht vorher­seh­bar. Gut möglich, dass er die Kinder als span­nende neue Spiel­freunde betrach­tet – als rang­hö­her aber keines­falls. Die Situa­tion muss daher immer von den Erwach­se­nen kontrol­liert bleiben. Nie dürfen Sie Kinder und Hund alleine mitein­an­der lassen. Ansons­ten wird der Hund die Führung über­neh­men und mass­re­geln, was in seinen Augen gemass­re­gelt werden muss.

Tipps für Eltern: Es empfiehlt sich, dass der Erst­kon­takt draus­sen statt­fin­det. Da kann der Hund jeder­zeit auswei­chen, wenn es ihm zu viel wird. Sie könnten mit Ihren Gästen zuerst einen entspann­ten kurzen Spazier­gang machen. Dabei sollte bespro­chen werden, was die Kinder tun dürfen und was nicht. So findet die anschlies­sende Begeg­nung drinnen erst statt, wenn alle bereits ausge­tobt sind.

Auch hier gilt: Hunde­be­sit­ze­rin­nen und Hunde­be­sit­zer müssen die Verant­wor­tung für den Hund über­neh­men, die Eltern für die Kinder. Weder Kind noch Hund sind in der Lage, zu entschei­den, wann genug ist. Diesen Entscheid müssen Sie als Erwach­sene über­neh­men und voraus­schau­end treffen. Bevor es eska­liert.

Wichtig: Nach dem Austo­ben wird der junge Hund zunächst Ruhe brau­chen und sich schla­fen­le­gen. Seine Ruhe muss von den Kindern respek­tiert werden. Genau wie die Kinder mag der Hund es auch nicht, im Schlaf gestört zu werden.

Szene 4 – Auf der Spiel­wiese

Während Ihre und andere Kinder auf einer Wiese spielen, jagen zwei Hunde einan­der quer über das Gelände. Dabei geraten sie immer wieder zwischen die Kinder. Diese erschre­cken und schreien.

Sicht des Hundes: Hunde inter­es­sie­ren sich in erster Linie für andere Hunde. Wichtig ist aber: Hunde sind nicht nur Rudel­tiere. Sie sind auch Jäger. Proble­ma­tisch wird es daher, wenn die Kinder beim Spiel mitma­chen wollen oder wie in diesem Fall – Angst bekom­men. Die Hunde können so auf die Idee kommen, es mit einem schwa­chen Spiel­ka­me­ra­den zu tun zu haben, schlimms­ten­falls mit Jagd­beute. Aus diesem Grund ist es ein abso­lu­tes No-Go, Hunde auf einer Wiese mit Kindern frei spielen zu lassen.

Tipps für Eltern: Grund­sätz­lich hätten die Hunde­be­sit­zen­den klar ihrer Pflicht nach­kom­men und die Hunde an die Leine nehmen müssen. Tun sie das nicht spätes­tens jetzt, kann der Dialog hilf­reich sein – harmo­nisch und bevor etwas passiert. Reagie­ren die Besit­zer nicht darauf oder droht die Situa­tion zu eska­lie­ren, müssen Sie als Eltern Ihr Kind beschüt­zen. Sie können versu­chen, den Hund zu vertrei­ben, indem Sie ihm auto­ri­tär klar machen: Weg mit dir!

Ansons­ten: Bleiben Sie mit dem Kind ruhig stehen – laufen Sie keines­falls hastig davon. Wenden Sie sich vom Hund ab, zeigen Sie ihm den Rücken. Meiden Sie jegli­chen Blick­kon­takt. Igno­rie­ren Sie ihn komplett. Verhal­ten Sie sich wie ein Schnee­mann, eine Statue, ein Later­nen­pfahl. Das braucht Mut! Aber nur so ist Ihr Kind keine Beute mehr für den Hund. Denn alles was still steht, ist nicht mehr span­nend für ihn. Gelingt Ihnen das nicht und droht die Situa­tion ganz zu eska­lie­ren, wehren Sie den Hund mit dem Knie ab.

Wenn Sie den Nerv haben, verlan­gen Sie anschlies­send die Perso­na­lien der Hunde­be­sit­zen­den und erstat­ten Sie Anzeige.

Wichtig: Im Notfall nehmen Sie das Kind hoch. Seien Sie sich aber bewusst, dass das Hoch­neh­men beim Hund den Jagd­trieb verstär­ken kann. 

Monika Fasnacht, Sachkundenachweis-Expertin für Hunde (SKN) und Expertin im Verband für das Nationale Hundehalterbrevet (NHB)

Monika Fasnacht

Monika Fasnacht hat 2013 die Ausbildung zur Hundetrainerin in der DOGS Hundeschule Konstanz abgeschlossen und danach zahlreiche Weiterbildungen absolviert. Sie ist Sachkundenachweis-Expertin für Hunde (SKN) und Expertin im Verband für das Nationale Hundehalterbrevet (NHB). Bei ihrer Arbeit orientiert sie sich an den Prinzipien: individuell, partnerschaftlich, natürlich, leise und gewaltfrei. Seit 2008 ist Hund Filou ihr treuer Begleiter.