kjz-Sprechstunde

«Mia (18) will ausziehen. Können wir als Eltern etwas dagegen tun?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz-Team
Unsere Tochter Mia (18) steckt mitten in der Puber­tät. Da wir uns regel­mäs­sig strei­ten wegen Ausgang, Taschen­geld, Klei­dungs­stil etc., möchte sie bei uns auszie­hen. Wir finden das keine gute Idee. Wir glauben, dass sie noch zu wenig selbst­stän­dig ist – nicht zuletzt wegen ihres Lehr­lings­lohns. Wir können ihr mit unserem Budget keine eigene Wohnung finan­zie­ren. Was sollen wir tun, damit sich unsere Tochter wieder wohl bei uns fühlt? Braucht sie mehr Frei­hei­ten?

Familie L. aus Bauma

Liebe Familie L.

Gesetz­lich hat Ihre Tochter die Schwelle zur Voll­jäh­rig­keit erreicht und darf somit selbst­stän­dig über alle Lebens­be­rei­che bestim­men, selber Kredite aufneh­men, eine Wohnung mieten oder ohne Einbe­zug der Eltern einen Lehr­ver­trag kündi­gen. In der Annahme, dass die puber­tie­rende Mia ihre Entschei­dun­gen oft unmit­tel­bar und viel­leicht ohne Gedan­ken an die Konse­quen­zen trifft, ist dies für Sie als Eltern eine grosse Heraus­for­de­rung. Streit ist da fast unum­gäng­lich. Diese Dynamik ist jedoch auch Teil des notwen­di­gen Ablö­sungs­pro­zes­ses, der für Ihre Tochter ein wich­ti­ger Entwick­lungs­schritt auf dem Weg zum Erwach­sen­sein darstellt.

Will Mia auszie­hen, ist dies ihre eigene Entschei­dung, die sie auch selber zu verant­wor­ten hat. Die finan­zi­elle Unter­stüt­zungs­pflicht der Eltern während der Erst­aus­bil­dung macht keine Vorgabe, dass Eltern jungen Erwach­se­nen eine eigene Wohnung bezah­len müssen. Sprich, Sie können Mia zwar nicht verbie­ten auszu­zie­hen, Sie können ihr Vorha­ben jedoch bremsen, wenn der Lehr­lings­lohn für eine eigene Wohnung nicht ausreicht.

Was können Sie tun, damit sich Mia wohler fühlt? Fragen Sie Mia, so kommen Sie mit Ihrer Tochter ins Gespräch. In Bezug auf Ausgang und Klei­der­wahl ist es kaum mehr möglich, Ihrer Tochter Vorschrif­ten zu machen. Zeigen Sie sich aber an den Erzäh­lun­gen von Mia über Partys, Trends und Freun­des­kreis inter­es­siert. Viel­leicht ergibt sich, dass Mia gerade densel­ben Film im Kino gesehen hat wie Sie. Teilen Sie Mia Ihre Befürch­tun­gen mit, wenn sie sich zu auffäl­lig kleidet, zu viel Alkohol konsu­miert, ohne Mittei­lung die ganze Nacht weg bleibt oder ihren Lehr­lings­lohn verschwen­det. Unter­las­sen Sie es jedoch, Verbote auszu­spre­chen. Gute Argu­mente werden oft besser akzep­tiert als ein auto­ri­tä­rer Stil. So gelingt es Ihnen viel­leicht, in einem ruhigen Gespräch auf Augen­höhe Werte zu vermit­teln und Mia mitzu­tei­len, dass sie selbst­ver­ant­wort­lich handeln muss. Versu­chen Sie weiter­hin, gemein­same schöne Momente zu erleben. Was früher die Wande­rung und das Bräteln im Wald war, ist heute viel­leicht die gemein­same Zube­rei­tung von Sushi oder eine Einla­dung auf ein Feier­abend­ge­tränk. Bei vielen Fami­lien bewährt sich, mindes­tens einen Abend in der Woche zu bestim­men, an dem alle Fami­li­en­mit­glie­der gemein­sam Nacht­es­sen.

Gelingt es Ihnen, Mia Vertrauen zu schen­ken und ihr zuzu­mu­ten, eigene Erfah­run­gen zu machen, wird sich Ihre Bezie­hung verbes­sern. Die Erfah­rung von vielen Fami­lien zeigt, dass die puber­tä­ren Ausein­an­der­set­zun­gen bei jungen Erwach­se­nen weniger werden und eine erwach­se­nere Form des Zusam­men­le­bens beginnt. In dieser Annahme bin ich zuver­sicht­lich, dass Mia und Sie bald wieder einfa­cher zuein­an­der finden werden.

Martine Studer-Ziegler (Sozi­al­ar­bei­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».