Trotz Siri, Sprachnachrichten und Co.

Lesen bleibt für Kinder eine Schlüsselkompetenz

Geschrie­be­nes lesen wir heute oft nur noch in kleinen Häpp­chen, etwa in Form von Kurz­nach­rich­ten oder Online-Beiträ­gen mit vielen Zwischen­ti­teln. Dank Siri Sprach­nach­rich­ten oder Podcasts müssen wir Inhalte oft gar nicht mehr lesen. Trotz­dem bleibt wichtig: Kinder sollen starke Lese­rin­nen und Lesern werden. Warum? Antwor­ten aus der Lese­for­schung und Anre­gun­gen für Eltern für die Lese­för­de­rung zuhause

Kinder, die gut lesen können, lesen nicht nur flüssig. Sie können über das Gele­sene nach­den­ken, es mit ihrem bestehen­den Wissen in Verbin­dung bringen und die neuen Infor­ma­tio­nen dadurch schnel­ler und besser verar­bei­ten.

Diese Form der Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung ist in fast jedem Schul­fach gefragt und betrifft nicht nur das Fach Deutsch. Sie ermög­licht Ihrem Kind, Wissen und Wort­schatz immer schnel­ler aufzu­bauen und dadurch zuneh­mend komplexe Inhalte zu verar­bei­ten. Zahl­rei­che Studien (siehe zum Beispiel hier) zeigen daher enge Zusam­men­hänge zwischen der Lese­kom­pe­tenz und den schu­li­schen Leis­tun­gen in verschie­de­nen Fächern. Lesen gilt deshalb als Schlüs­sel­kom­pe­tenz für Schule und Bildungs­weg.

Eigen­stän­dig und unab­hän­gig im Alltag

Im Alltag verar­bei­ten wir Infor­ma­tio­nen zuneh­mend über Audio, Bilder oder kurze Texte. Dennoch bleibt eine gute Lese­kom­pe­tenz uner­läss­lich. Denn sie befä­higt uns, die Inhalte nicht nur ober­fläch­lich, sondern in ihrer Gesamt­heit zu erfas­sen und einzu­ord­nen. Dabei stellt uns die Flut von Infor­ma­tion vor zusätz­li­che Heraus­for­de­run­gen: Wir müssen sie nicht nur schnel­ler verar­bei­ten, sondern auch laufend deren Glaub­wür­dig­keit bewer­ten – eine anspruchs­volle Aufgabe.

Lese­starke Kinder können diese Aufgabe leich­ter bewäl­ti­gen. Sie verfü­gen damit über eine entschei­dende Fertig­keit, um eigen­stän­dig und unab­hän­gig zu jener Infor­ma­tion zu kommen, die sie in ihrem Leben brau­chen.

Deep Reading und Lese­freude sind entschei­dend

Zu einer guten Lese­kom­pe­tenz gehört auch das aufmerk­same, vertiefte Lesen, das soge­nannte Deep Reading. Das bedeu­tet: Starke Lese­rin­nen und Leser können regel­recht eintau­chen in einen Text und sich dabei inten­siv mit dem Inhalt ausein­an­der­set­zen. Dabei werden Zusam­men­hänge gesehen, verstan­den und Verbin­dun­gen zur eigenen Erfah­rungs­welt und zum Vorwis­sen herge­stellt.

Deep Reading braucht viel Übung und Zeit. Auf dem Weg dahin werden Kinder durch die immer kürzer werdende Aufmerk­sam­keits­spanne aller­dings zuneh­mend heraus­ge­for­dert. Je früher und häufi­ger sie mit Sprache und Lesen in Berüh­rung kommen, desto eher meis­tern sie die Heraus­for­de­rung.

Zwei Dinge sind dabei im jungen Lese­al­ter beson­ders wert­voll: Lese­freude und schnelle Erfolgs­er­leb­nisse. Denn wer gerne liest, liest öfter. Und wer oft liest, liest immer besser.

Ihre Rolle als Eltern

Lesen­ler­nen beginnt nicht erst mit dem Selber­le­sen, sondern sobald Kinder zum ersten Mal mit Sprache in Berüh­rung kommen. Je früher Ihr Kind entdeckt, dass sich hinter Buch­de­ckeln span­nende Geschich­ten verber­gen können, desto leich­ter fällt ihm später der Schritt zum eigenen Lesen. Als Eltern ebnen Sie Ihrem Kind diesen Weg durch viel sprach­li­chen Austausch, sei es mit Kinder­ver­sen und Finger­spie­len, Plau­dern, Gedan­ken­aus­tausch oder Geschich­ten­er­zäh­len. Beson­ders das Vorle­sen mit seinen unzäh­li­gen wert­vol­len Neben­ef­fek­ten ist ein grosses Geschenk, das Eltern ihren Kindern machen können – und beste Lese­för­de­rung.

Auch können Sie Ihrem Kind Bücher zugäng­lich machen. Dabei gibt es viele Formate, die sich für die Lese­freude zu zweit eignen, zum Beispiel die Buch­reihe Erst ich ein Stück, dann du, zu finden in den Biblio­the­ken des Kantons Zürich.

Anre­gun­gen für die Lese­för­de­rung zuhause

  • Ob Comic oder Buch­reihe – Haupt­sa­che, Ihr Kind hat Freude daran
    Comics, Graphic Novels und Buch­serien wurden in der Fach­welt lange unter­schätzt. Dabei sind sie für die Lese­för­de­rung wert­voll, weil sie gerade Kinder anspre­chen, die noch nicht gerne oder sicher lesen. Wir verges­sen schnell: Lesen­ler­nen ist anspruchs­voll und anfangs sehr mühsam und anstren­gend. Alle Formate, die zu Erfolgs­er­leb­nis­sen führen, fördern die Freude Ihres Kindes am Lesen und damit seinen lang­fris­ti­gen Lern­pro­zess.
  • Im eigenen Tempo lesen und lernen dürfen
    Die Lese­ent­wick­lung ist bei Kindern sehr unter­schied­lich. Einige entwi­ckeln erst spät Inter­esse am Selber­le­sen. Ein Richtig und Falsch gibt es auf dem Leseweg nicht, solange er im Tempo Ihres Kindes began­gen wird. Je früher der Prozess beginnt, desto einfa­cher. Für Lese­fort­schritte ist es aber nie zu spät.
  • Ohne Druck lesen dürfen
    Kinder sollten nicht zu einer bestimm­ten Lektüre oder Lese­dauer gedrängt werden. Zuhause soll vor allem ihre Lese­freude im Zentrum stehen dürfen. Wenn Sie Lese­stoff finden, der das Inter­esse Ihres Kindes weckt und zu seinem Können passt, entwi­ckelt sich seine Lese­freude natür­li­cher und nach­hal­ti­ger.
  • Gemein­sam über das Gele­sene spre­chen und nach­den­ken
    Leseschwächere Kinder glauben oft, sie müssten einen Text nur mehr­mals lesen, um ihn irgend­wann zu verste­hen. Doch Verste­hen gelingt erst, wenn sie das Gele­sene mit ihrem Vorwis­sen in Verbin­dung bringen und darüber nach­den­ken. Indem Sie Ihrem Kind oft vorle­sen und sich gemein­sam über das Gele­sene austau­schen, unter­stüt­zen Sie es auf seinem Weg zu einer starken Leserin oder einem starken Leser.

Der Beitrag wurde erstellt mit Fach­wis­sen von:

Porträt von Carlotta Binder

Carlotta Binder

Carlotta Binder hat Germanistik und Geschichte studiert und war anschliessend 11 Jahre lang Lehrerin an der Bezirksschule Spreitenbach. Seit 2024 ist sie im Bereich Literale Förderung am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM tätig.

Ange­bote der öffent­li­chen Biblio­the­ken

für Kinder von 6-12 Jahren

Eltern, die selber nicht so gerne lesen, und natür­lich auch alle anderen, können auf zahl­rei­che Ange­bote der Biblio­the­ken zurück­grei­fen. Einige Beispiele:

Zusam­men­ge­stellt mit Unter­stüt­zung von Felix Hüppi, Direk­tor der PBZ Pesta­lozzi-Biblio­thek Zürich