Trennung und Scheidung – Das sagt die kjz-Expertin

Was bei Trennungen in Bezug auf Kinder wichtig ist (Teil 2)

Tren­nun­gen sind schmerz­haft und aufwüh­lend für alle Betei­lig­ten. Doch so über­for­dernd sie für Eltern oft sind, für Kinder sind die Heraus­for­de­run­gen mindes­tens genauso gross. kjz-Exper­tin Simone Gruen-Müller geht bei wich­ti­gen Schrit­ten in diesem Prozess auf die Kinder­sicht ein.

Simone Gruen-Müller ist Kinder- und Jugend­psy­cho­the­ra­peu­tin und Erzie­hungs­be­ra­te­rin im kjz Affol­tern. Im zweiten Teil geht die kjz-Exper­tin auf wich­tige Punkte rund um den Auszug eines Eltern­teils sowie die neue Wohn­si­tua­tion und mögli­che neue Part­ner­schaf­ten ein und zeigt das Unter­stüt­zungs­an­ge­bot der kjz für Eltern in Tren­nung auf.

Auszug und neue Wohn­si­tua­tion

Zusam­men­fas­sung

  • Welche neue Wohn­si­tua­tion am besten ist, ist ganz indi­vi­du­ell. Wichtig ist es, alle Bedin­gun­gen und Bedürf­nisse gut zu klären.
  • In jedem Fall sind die Über­gänge zwischen den Eltern von grosser Bedeu­tung. Kinder brau­chen dabei Sicher­heit, Verläss­lich­keit und möglichst wenig emotio­na­len Zusatz­stress. 

Was beim Auszug hilft und alter­na­tive Wohn­mo­delle

Es ist eine grosse Frage, wie der Auszug eines Eltern­teils am besten gelingt. Einige Eltern vertra­gen ihn nicht und möchten solange mit den Kindern wegfah­ren. Das ist verständ­lich. Wichtig ist aber, dass man den Kindern trotz­dem die Möglich­keit gibt, Teil vom Prozess zu sein, indem sie zum Beispiel eine Schach­tel mit Gegen­stän­den packen dürfen, die für sie mitge­zü­gelt wird. So sind sie von Anfang an Teil der neuen Wohnung.

Es gibt aber auch Eltern, denen der Prozess gemein­sam gelingt, die die neue Wohnung sogar alle zusam­men einrich­ten oder die weiter­hin ab und zu gemein­sam essen. Wenn der neue Ort nicht jedes Mal mit Ärger oder Wider­stand verbun­den ist, ist es für die Kinder viel entspann­ter.

Neben dem Modell, bei dem haupt­säch­lich die Wochen­en­den alter­nie­ren, gibt es auch das soge­nannte Nest­mo­dell und das Wech­sel­mo­dell. Beim Nest­mo­dell sind es die Eltern, die unter­wegs sind und sich im gemein­sa­men Zuhause alle paar Tage abwech­seln, während die Kinder am gewohn­ten Ort wohnen bleiben. Die Erfah­rungs­werte damit zeigen, dass es für die Kinder ein gutes Modell ist. Sie werden so vom vielen Packen und Aufbre­chen entlas­tet. Den Eltern müssen die Über­gänge aber gut gelin­gen, wobei zahl­rei­che Abspra­chen mehr hinzu­kom­men – beim Haus­halt, den Ordnungs­re­geln, darüber, wer den Kühl­schrank auffüllt etc. 

Beim Wech­sel­mo­dell pendeln die Kinder hin und her, in Form einer Mama- und einer Papa­wo­che. Hier schul­tern die Kinder den stän­di­gen Wechsel. Das bedingt, dass die Wohn­orte nicht weit vonein­an­der entfernt liegen. Auch braucht es Koope­ra­tion zwischen den Eltern und Offen­heit, um auf verän­dernde Bedürf­nisse des Kindes einge­hen zu können. Um das passende Wohn­mo­dells zu finden, ist es ganz wichtig, dass die Eltern ihre eigene Situa­tion gut reflek­tie­ren und gemein­sam anschauen, wie machbar die Bedin­gun­gen für beide sowie für die Kinder wären.

Zwei Zuhause – wie der Wechsel dazwi­schen gelingt

Grund­sätz­lich ist die Umstel­lung an die neue Wohn­si­tua­tion für Kinder oft eine grosse Heraus­for­de­rung, egal in welcher Form sie statt­fin­det. Deshalb ist es wichtig, stets nahe bei den kind­li­chen Bedürf­nis­sen zu bleiben. Denn es gilt: Der Prozess braucht Zeit. Diese Zeit muss nicht von Anfang möglichst gleich­mäs­sig zwischen den beiden Eltern­tei­len aufge­teilt sein. Viel entschei­den­der ist, dass die je gemein­sam verbrachte Zeit stress­frei ist. So können Kinder die nötige Sicher­heit und Verläss­lich­keit in der ganzen Umstel­lung erfah­ren.

Gerade bei kleinen Kindern sind die Über­gänge zwischen Mutter und Vater beson­ders sensi­bel. Hier hilft es enorm viel, wenn diese ohne zusätz­li­chen emotio­na­len Stress ablau­fen, sodass mögli­che Verlust­ängste nicht weiter verstärkt werden. Funk­tio­niert das nicht, weil zu viele nega­tive Gefühle im Spiel sind, gibt es hier auch andere Lösun­gen, beispiels­weise, dass die Über­gabe jeweils bei den vertrau­ten Gross­el­tern statt­fin­det.

Allge­mein hilft ein feines Bewusst­sein dafür, dass die emotio­na­len Ambi­va­len­zen von Kindern enorm sind. Die neuen Wechsel bringen sie oft in ein grosses Durch­ein­an­der und in Stress. Je kleiner sie sind, desto weniger sind sie aller­dings in der Lage, ihre eigenen Gefühle zu verste­hen: Sie können sie weder verste­hen, noch benen­nen oder regu­lie­ren. Sie spüren den Stress zwar, drücken ihn aber mit dem Verhal­ten aus, werden viel­leicht gereizt oder wütend. Das sind alles Hinweise dafür, dass in ihnen etwas vorgeht und sie versu­chen, irgend­wie damit klar­zu­kom­men.

Sie bei der Benen­nung ihrer Gefühle zu unter­stüt­zen, ist hilf­reich für Kinder. Steht beispiels­weise der Wechsel zum anderen Eltern­teil bevor, helfen Worte wie: „Ich merke, es geht ganz viel in dir vor. Du bist nervös und aufge­regt, und das ist auch völlig in Ordnung so. Du weisst, dass eine Verän­de­rung auf dich zukommt und das macht unruhig, aber das darf auch so sein.“ So vermit­telt man Kindern, dass gerade viel in ihnen vorgeht und ihre Wahr­neh­mung ganz richtig ist, dass man aber versteht, worum es geht und dabei Sicher­heit und Orien­tie­rung geben kann. Man kann sie weiter unter­stüt­zen, indem man fragt, was ihnen im Moment helfen könnte oder indem man Vorschläge macht. Viel­leicht tut es gut, eine Weile lang gedrückt zu werden oder gemein­sam im Kopf das Ankom­men oder das Einschla­fen am neuen Ort durch­zu­ge­hen.

Die gleiche Über­for­de­rung erleben die Kinder übri­gens auch oft, wenn der Wechsel wieder zurück nach Hause statt­fin­det. Oft sind sie dann völlig über­dreht oder gereizt: Schliess­lich sind auch bei diesem Über­gang wieder so viele Gefühle im Spiel, ausge­löst durch die neuen Erleb­nisse am anderen Ort, durch den Abschied vom einen Eltern­teil, die Gefühle und Erwar­tun­gen der beiden Eltern­teile und so weiter. Diese Span­nun­gen sind gross und die Kinder nehmen alle wahr. Oft werden sie dann beim Ankom­men nach den vergan­ge­nen Tagen gefragt, obwohl sie gerade in einem Zustand grosser Über­for­de­rung sind und diese Frage kaum beant­wor­ten können. Die Eltern dürfen sich davon auf keinen Fall verletzt fühlen, sondern sie können wiederum Worte für die Situa­tion zur Verfü­gung stellen und auf die kind­li­chen Bedürf­nisse einge­hen. Diese können ganz unter­schied­lich sein. Die einen brau­chen zuerst Zeit alleine in ihrem Zimmer, andere müssen durch die Wohnung laufen, und sich verge­wis­sern, dass alles noch da ist, und wiederum andere möchten ganz lange gehal­ten und gedrückt werden. Haupt­sa­che ist, darauf einzu­ge­hen und ihnen viel Zeit dafür zu lassen. Und wichtig ist auch, dass Kinder bei all den Wech­seln immer das Gefühl behal­ten dürfen: Auch wenn nun eine neue Situa­tion da ist und meine Familie nicht mehr wie früher zusam­men am glei­chen Ort wohnt - ich darf trotz­dem weiter­hin beide Eltern gleich lieb haben.

Neue Part­ner­schaft

Zusam­men­fas­sung

  • Neue Bezie­hun­gen sind meist für alle Betei­lig­ten eine Heraus­for­de­rung.
  • Zeit, Einfüh­lungs­ver­mö­gen und Verständ­nis sind in der Regel eine grosse Hilfe.

Bei neuen Part­ner­schaf­ten gehen Eltern oft davon aus, dass es ihren Kindern damit unwei­ger­lich auch besser geht, schliess­lich sind sie nun wieder glück­lich. Doch die Eltern reden dann von ihren eigenen Bedürf­nis­sen, nicht jenen der Kinder. Diesen sollen sie auch unbe­dingt nach­ge­hen – aber nicht vor den Kindern. Denn: Kinder brau­chen Zeit. Sowohl für die Verar­bei­tung der Tren­nung als auch für die Umstel­lung an einen neuen Partner oder Part­ne­rin. Die Situa­tion fordert sie emotio­nal erneut: Viel­leicht kommen Verlust­ängste hoch, Eifer­sucht oder Verdrän­gungs­ge­fühle. Auch spüren sie, was die neue Bezie­hung allen­falls beim anderen Eltern­teil auslöst; Empö­rung, Wut oder Ängste. All diesen Gefüh­len sind die Kinder gleich­zei­tig ausge­setzt.

Es ist daher sehr zu empfeh­len, den Kontakt zwischen Kindern und neuer Part­ner­schaft erst dann zu knüpfen, wenn die Bezie­hung gefes­tigt ist und man sich vorstel­len kann, dass diese auch in Zukunft trag­fä­hig ist. Das heisst nicht, dass man ein Geheim­nis daraus machen muss. Doch geht die Zusam­men­füh­rung zu schnell, ist die Gefahr gross, dass sich das Kind mit hohen Erwar­tun­gen konfron­tiert sieht – beispiels­weise den neuen Partner gut zu finden oder sich dem Glück der Erwach­se­nen anpas­sen zu müssen. Für die meisten ist das erneut viel Stress und eine grosse Über­for­de­rung.

Aber nicht nur Kinder brau­chen Zeit, auch die Erwach­se­nen. In der neuen Bezie­hung müssen sie ja auch erst einmal ankom­men und diese gestal­ten. Sind der Druck und die Erwar­tun­gen von Anfang an hoch, ist die Gefahr gross, dass die neue Bezie­hung daran zerbricht. Und dann fühlen sich beson­ders kleine Kinder oft mitschul­dig und es geht wieder von vorne los: Sie sorgen sich und meinen, sie müssen sich kümmern. Zeit, Einfüh­lungs­ver­mö­gen und Verständ­nis sind daher in jedem Fall empfeh­lens­wert.

Unter­stüt­zung im kjz für Eltern in Tren­nung

Zusam­men­fas­sung

  • Tren­nun­gen müssen nicht alleine durch­ge­stan­den werden, das kjz kann helfen.
  • Die kjz unter­stüt­zen überall, wo es sich die Eltern wünschen.
  • Sind die Bedürf­nisse der Eltern erst einmal klarer, verschafft das oftmals Ruhe für die weite­ren Schritte.

Eine Tren­nung ist für alle eine Heraus­for­de­rung. Im kjz können wir die Eltern auf diesem Weg stärken und auf vieler­lei Ebenen unter­stüt­zen, je nachdem, was sie brau­chen.

Wichtig ist uns, zu Beginn die Bedürf­nisse der Eltern abzu­ho­len. Zu wissen, was sie brau­chen, hilft dabei, ihnen etwas Ruhe zu verschaf­fen. Gerade bei Eltern, die selbst in der Kind­heit eine Tren­nung erlebt haben, trifft die Situa­tion viel­fach wunde Punkte von früher. Oft äussern sie dann Schuld­ge­fühle gegen­über ihren Kindern. Es ist aber immer wert­voll, wenn sie so offen darüber reden, so erhal­ten diese Gefühle einen Platz. Wir können sie zusam­men einord­nen, was den Schmerz oft mildert und dabei hilft, die eigenen Verlet­zun­gen und Ängste von damals nicht auf die jetzige Situa­tion zu über­tra­gen.

Wir helfen dann, sie an die rich­ti­gen Fach­stel­len zu vermit­teln, beispiel­weise an Stellen für recht­li­che Fragen, an eine Media­tion oder zu thera­peu­ti­scher Unter­stüt­zung, wenn viele Verlet­zun­gen im Spiel sind. Je stabi­ler die Eltern werden, umso mehr Ruhe kehrt ein und umso entlas­ten­der wird es für die Kinder. Denn bei all unseren Schrit­ten stehen letzt­lich immer die Bedürf­nisse der Kinder im Fokus.

Deshalb helfen wir auch mit Wissen darüber, was für Kinder alters­ent­spre­chend gerade wichtig ist. Die Eltern sind in dieser Situa­tion oft über­for­dert und unsi­cher, was sie den Kindern zumuten können. Oft über­schät­zen sie diese auch. Wir merken, dass sie dann erleich­tert sind, die Sicht ihrer Kinder besser zu verste­hen. Hierbei können wir auch anschauen, wie sie einzelne Schritte angehen oder beispiels­weise die Tren­nung thema­ti­sie­ren wollen – sowohl mit den Kindern als auch nach aussen. Auch helfen wir bei Fragen rund um die Besuchs­re­ge­lun­gen, die Gestal­tung der Besuchs­zei­ten oder bei Fragen zu den Unter­halts­bei­trä­gen. In der Regel kommen Eltern für unge­fähr zwei bis fünf Gesprä­che zu uns, alleine oder zu zweit. Manch­mal beglei­ten wir sie aber auch über eine längere Zeit, immer so, dass es für die Eltern stimmt. Einige Eltern melden sich dafür bereits vor der Tren­nung. Andere kommen zu uns, wenn die Tren­nung voll­zo­gen ist, aber Schwie­rig­kei­ten auftre­ten. Dann schauen wir gezielt an, welche Bedürf­nisse der Kinder oder Eltern zugrunde liegen und was im einzel­nen Fall helfen könnte. Denn, so schmerz­haft Tren­nun­gen sind; geht man sie aktiv und gemein­sam an, können auch solche Heraus­for­de­run­gen zu frucht­ba­ren Prozes­sen werden für die Entwick­lung von allen Betei­lig­ten.

Simone Gruen-Müller ist Erziehungsberaterin im kjz Affoltern. Sie ist Fachpsychologin SBAP in Kinder- und Jugendpsychologie, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin SBAP und Spezialistin bei OHG-Befragungen.

Simone Gruen-Müller

Simone Gruen-Müller ist Erziehungsberaterin im kjz Affoltern. Sie ist Fachpsychologin SBAP in Kinder- und Jugendpsychologie, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin SBAP und Spezialistin bei OHG-Befragungen. Während vieler Jahre war sie im schulpsychologischen Dienst, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in der eigenen Praxis tätig.