Sprachentwicklung

So lernt Ihr Kind sprechen – so können Sie es unterstützen

Sprache ist wichtig für die ganze Entwick­lung von Kindern. Die Grund­la­gen erler­nen sie in den ersten Lebens­jah­ren. Wie können Sie Ihr Kind beim Sprach­er­werb unter­stüt­zen und seine Freude an Sprache wecken? Hier finden Sie Hinter­grund­wis­sen mit Tipps von Logo­pä­din Barbara Vischer.

Ab Geburt

Babys sind täglich von Sprache umgeben. Sie nehmen die Sprach­me­lo­die, Laute und Beto­nung wahr und gewöh­nen sich daran, lange bevor sie selber spre­chen können. Die erste Ange­wöh­nung findet bereits im Mutter­leib statt.

Schon früh erpro­ben sie ihre eigene Stimme spie­le­risch. Mit jedem Geräusch und Laut, Gurren und Schnal­zen lernen sie, die Muskel­be­we­gun­gen in Mund, Hals und Kehl­kopf immer besser zu kontrol­lie­ren. Ab unge­fähr 6 Monaten begin­nen die meisten, soge­nannte Silben­ket­ten anein­an­der­zu­rei­hen (ba-ba-ba, da-da-da-da). Jedes Kind lernt jedoch Sprache in seinem eigenen Tempo. Die Entwick­lun­gen können etwas früher oder später einset­zen.

Als Eltern passen Sie Ihre Sprache oft auto­ma­tisch dem Kind an. Sie ziehen Wörter in die Länge («mein Liiii­ieb­ling»), reden höher, mit leben­di­gem Gesichts­aus­druck und bilden kürzere Sätze mit klaren Pausen. Das hilft Babys zum Beispiel, Wort­gren­zen einfa­cher zu erken­nen. Indem Sie auf sein frühes Lächeln und die ersten Laute reagie­ren, erfährt Ihr Kind, wie Kommu­ni­ka­tion funk­tio­niert.

Eine Mutter wickelt ihr Kind. Er kann bereits Silbenreihen von sich geben, wie bababa.

Das fördert den Sprach­er­werb

  • Spielen, singen und lachen Sie mit Ihrem Kind.
  • Erzäh­len Sie in einfa­chen Worten, was Sie gerade tun (z. B. «Nun wechsle ich deine Windeln.»).
  • Benne­nen Sie, was das Kind sieht, hört, tut und fühlt (z. B. «Hörst du die Vögel?» - «Du hast Hunger, gell.»).
  • Hören Sie den Lauten des Kindes aufmerk­sam zu und gehen Sie darauf ein (z. B. mit Nach­ma­chen oder Antwor­ten). Im Wech­sel­spiel zwischen Ihnen und dem Kind entste­hen erste kurze Gesprä­che.

Wichtig: Legen Sie das Handy weg, wenn Sie mit Ihrem Kind zusam­men sind. Blick­kon­takt ist für das Sprach­ler­nen wichtig. Ausser­dem kann Ihr Kind in Stress geraten, wenn Sie verzö­gert auf seine Bedürf­nisse reagie­ren.

Haben Sie gemein­sam Freude an Sprache

Reden Sie dabei in der Sprache, in der Sie sich wohl­füh­len.

Rund 12 Monate

Ihr Kind kann immer besser mit seinem Blick zwischen Ihnen und einem Gegen­stand oder einem Gesche­hen hin- und herpen­deln. So versteht es mehr und mehr, wovon Sie reden, und sein Wort­schatz wächst. Es kann nun Dinge bezeich­nen, die es kennt (z. B. Mama, Papa, Wauwau), und versteht einfa­che Fragen und Auffor­de­run­gen.

Indem Sie sich viel mit ihm austau­schen, lernt Ihr Kind, dass es seine Gefühle und Bedürf­nisse anderen mit Sprache mittei­len kann.

Ein Vater spielt mit seinem rund 12 Monate alten Kind. Dieses kann nun einzelne Wörter sagen.

Das fördert den Sprach­er­werb

  • Achten Sie sich, wofür sich Ihr Kind inter­es­siert und sagen Sie dazu etwas (z. B. «Magst du den roten Ball?»).
  • Wieder­ho­len Sie Wörter und Sätze spie­le­risch (z. B. beim Spielen: «Ein mutiger Löwe. So ein muuti­ger Löwe!»).
  • Wecken Sie die Freude an Sprache und Kommu­ni­ka­tion (z. B. «Der Löwe brüllt roooo­aaar!»).

Hier finden Sie 4 Finger­verse und Kinder­reime für Spiel und Spass.

Rund 18 Monate

Der Wort­schatz Ihres Kindes macht enorme Sprünge (soge­nann­ter Wort­schatz­spurt oder Sprach­ex­plo­sion). Es versteht nun bereits viele alltäg­li­che Auffor­de­run­gen.

Ein Vater spielt mit seinem rund 18 Monate alten Kind. Dieses kennt nun bereits viele Wörter.

Das fördert den Sprach­er­werb

  • Schauen Sie gemein­sam Kinder­bü­cher an, mit einfa­chen Bildern zum darüber Reden oder mit Elemen­ten, bei denen das Kind etwas tun kann (z. B. Klappe öffnen, Ober­flä­che anfas­sen, Geräu­sche hören). Hier finden Sie 13 Bücher­tipps für die Kleins­ten.
  • Reden Sie in ganzen und rich­ti­gen Sätzen (z. B. «Sieh mal, der Affe putzt sich.»).
  • Hören Sie dem Kind aufmerk­sam zu und gehen Sie auf seine Mittei­lun­gen ein.

Ihr Kind lernt beson­ders viel über Sprache, wenn Sie Dinge gemein­sam tun und darüber reden (z. B. Schub­la­den ausräu­men, einkau­fen, Tiere beob­ach­ten).

Rund 2 Jahre

Ihr Kind kann nun wahr­schein­lich Sätze mit 2 bis3 Wörtern formu­lie­ren (z.B. «Mia auch!»). Es versteht nun bereits sehr viel und beginnt nach Wörtern zu fragen, die es noch nicht kennt.

Nicht alle Kinder spre­chen mit 2 Jahren schon mehr als 50 Wörter oder bilden Zwei­wort­sätze (soge­nannte Late Talker). Beob­ach­ten Sie die Sprach­ent­wick­lung Ihres Kindes in diesem Fall und lassen Sie sich beraten. Ein Teil dieser Kinder macht in den ersten Monaten des dritten Lebens­jah­res plötz­lich grosse Fort­schritte.

Sie haben Fragen?

Bei Fragen zu Auffäl­lig­kei­ten in der Sprach­ent­wick­lung Ihres Kindes wenden Sie sich an:

Auch die Mütter- und Väter­be­ra­te­rin­nen und Erzie­hungs­be­ra­ten­den im kjz in Ihrer Region helfen Ihnen kosten­los.

Eine Mutter pustet mit ihrem rund zweijährigen Kind auf der Wiese in eine Pusteblume. Das Kind sagt das Wort noch falsch, die Mutter korrigiert es nicht.

Das fördert den Sprach­er­werb

  • Bauen Sie neue Wörter ein (z. B. «Der Löwen­zahn wird zur Puste­blume.»).
  • Häufi­ges Korri­gie­ren kann die Sprach­ent­wick­lung hemmen. Korri­gie­ren Sie daher falsche Aussa­gen nicht. Reden Sie aber selber sprach­lich korrekt und binden Sie Aussa­gen des Kindes im weite­ren Gespräch in der rich­ti­gen Form ein (z. B. Ihr Kind sagt: «Pfufe­blume pfüggen.» Sie wieder­ho­len: «Genau, wir pflü­cken eine Puste­blume.»).

Rund 3 Jahre

Ihr Kind kann nun voll­stän­dige (Haupt-)Sätze bilden (z.B. «Ich will die Jacke nicht anzie­hen!»). Die Sprache dient ihm dabei, seine Fanta­sie auszu­drü­cken. Es spielt nun Hand­lungs­ab­fol­gen und kommen­tiert diese.

Ihr Kind beginnt, unzäh­lige Warum-Fragen zu stellen. Ihre Antwor­ten darauf fördern Wort­schatz und Gram­ma­tik, das Verständ­nis von Zusam­men­hän­gen, die Konzen­tra­tion auf ein Thema und das Führen von Gesprä­chen.

Eine Mutter zieht ihrem rund dreijährigen Kind beim Gehen die Jacke an. Dieses kann nun bereits ganze Sätze bilden und sagt, es wolle die Jacke nicht anziehen.

Das fördert den Sprach­er­werb

  • Helfen Sie, Gedan­ken und Gefühle auszu­drü­cken (z. B. «Gell, du bist enttäuscht, dass wir gehen müssen. Das Spielen hat dir viel Spass gemacht.»). Hat ein Kind Worte für seine Gedan­ken und Gefühle, kann es einfa­cher damit umgehen.
  • Lassen Sie dem Kind Zeit für Formu­lie­run­gen. Inter­es­sie­ren Sie sich für seine Welt.
  • Spielen Sie mit Liedern, Reimen und Versen (z. B. «Jacke an, hauruck, Jacke zu, ruck­zuck!»).

Setzen Sie Bild­schirm­me­dien nur sehr selten ein

Studien zeigen, dass Fern­se­hen in den ersten Lebens­jah­ren schlecht ist für die sprach­li­che Entwick­lung. Bei Klein­kin­dern bis 4 Jahre sollten Bild­schirm­me­dien eine Ausnahme bleiben.

Rund 4 Jahre

Ihr Kind beherrscht nun die Grund­züge der Gram­ma­tik weit­ge­hend. Es passt zum Beispiel die meisten Verben (Tätig­keits­wör­ter) korrekt an Person und Zeit an (ich lach-e, wir haben ge-lach-t) und bildet Sätze mit Haupt- und Neben­sät­zen (z.B. «Ich hab es gerne, wenn du mir vorliest.»). Die Laute «r», «s» und «sch» sind noch schwie­rig.

Mithilfe der Sprache kann Ihr Kind nun länge­ren Erzäh­lun­gen folgen, sich Gedan­ken zur nahen Zukunft machen, von gestern erzäh­len oder Rollen­spiele mit gleich­alt­ri­gen Kindern spielen.

Mutter und Kind lesen einander gegenseitig Bücher vor. Der Junge ist nun ungefähr vier Jahre alt.

Das fördert den Sprach­er­werb

  • Lesen Sie dem Kind Geschich­ten vor und reden Sie darüber (z. B. «Was machen die Kinder wohl als Nächs­tes?»). Tipps, was Eltern beim Vorle­sen beach­ten können
  • Wech­seln Sie sich mit Ihrem Kind ab beim Erzäh­len.
  • Lassen Sie sich auf die Themen von Kindern ein (z. B. «Ich möchte auch zaubern können!», «Gell, das wäre schön. Was würdest du denn herbei­zau­bern wollen?»).
  • Unter­stüt­zen Sie Ihr Kind dabei, seine Meinung zu äussern, sie zu begrün­den und sie auch zu vertei­di­gen.

Sprache ist wichtig für die ganze Entwick­lung

Mit Sprache kann Ihr Kind Gefühle und Gedan­ken ausdrü­cken und seine Umwelt verar­bei­ten. Sprache hilft somit auch, Freund­schaf­ten zu knüpfen und erfolg­reich zu lernen.

Durch Worte (trös­tende, fragende, lieb­ko­sende usw.) erfährt Ihr Kind Zuwen­dung, Verläss­lich­keit und Nähe. Sprache stärkt damit auch die Bezie­hung zu Ihrem Kind.

Hinweis: Kinder erwer­ben Sprache in ihrem eigenen Tempo. Die Angaben sind nur Richt­werte.

Barbara Vischer ist Logopädin und unterrichtet in der Aus- und Weiterbildung von Logopäden und Logopädinnen und von Fachpersonen im Frühbereich. Daneben ist sie im Vorstand der Gesellschaft für Entwicklungspsychologische Sprachtherapie (GSEST) tätig.

Barbara Vischer

Barbara Vischer ist Logopädin in der Kleinkinderpraxis für Logopädie mathieu & meister in Zürich. Sie unterrichtet in der Aus- und Weiterbildung von Logopäden und Logopädinnen und von Fachpersonen im Frühbereich. Daneben ist sie im Vorstand der Gesellschaft für Entwicklungspsychologische Sprachtherapie (GSEST) tätig.