Trennung und Scheidung – Kinder erzählen

Vom Druck, wenn die Kinder über ihre Obhut entscheiden müssen

Kinder kommen bei einer Tren­nung ihrer Eltern oft kaum zu Wort. Dabei tragen sie am Leid meist mehr mit, als es ihren Eltern in diesem Moment bewusst ist. In dieser Reihe erzäh­len Schei­dungs­kin­der rück­bli­ckend, wie sie es damals erleb­ten, als die Bezie­hung ihrer Eltern zerbrach.

Ein Erfah­rungs­be­richt von Selina Matter*, damals 15 Jahre alt

Ich war etwa fünf­zehn Jahre alt, als sich meine Eltern trenn­ten, meine grosse Schwes­ter kam da gerade von einem Austausch­jahr zurück. Davor gab es oft Streit. Meine Mutter nervte sich schnell über meinen Vater und machte auch keinen Hehl daraus, während mein Vater ein ruhiger Mensch war, der wenig Emotio­nen zeigte. Ich denke, ihm lag viel daran, den Streit zu schlich­ten; und auch dass man nicht gerade aufgibt und dass wir als Familie bestehen bleiben. Wenn ich zurück­denke, habe ich meine Eltern aber eigent­lich nie als richtig glück­li­ches Paar erlebt. Ich fürchte, sie blieben viel länger zusam­men, als es für beide nötig und gesund gewesen wäre. Das hatte sicher auch mit uns Kindern zu tun, wohl aber auch mit gesell­schaft­li­chen Idealen. Ich denke aller­dings nicht, dass getrennte Eltern für Kinder per se schlimm sein müssen. Denn als der Streit weg war, habe ich das schon auch als Entspan­nung erlebt.

Die Auswir­kun­gen auf Kinder sind sicher situa­tions- und alters­ab­hän­gig. Ich war im Teen­ager­al­ter, für mich fand das Leben damals in der Schule statt. Die Situa­tion zuhause war belas­tend, aber sie war nicht mein Haupt­le­ben. Ich stelle mir eine Tren­nung für jüngere Kinder schlim­mer vor. Ich denke aber, dass das für alle gelten kann: Für Kinder ist es nicht immer am hilf­reichs­ten, wenn ihre Eltern um jeden Preis zusam­men bleiben. Dass beide Eltern­teile glück­lich sind mit ihrer Lebens­form, ist doch wich­ti­ger, denn so können sie den Kindern am meisten geben. Ich denke, dass Eltern, die zwar getrennt leben, aber beide für ihre Kinder da sind und ihnen das zu spüren geben, mindes­tens genauso wert­voll sind.

Getrennte Eltern müssen für Kinder nicht per se schlimm sein. Denn als der Streit weg war, habe ich das schon auch als Entspan­nung erlebt.

Obwohl ich damals fünf­zehn war, erin­nere ich mich nicht mehr an Einzel­hei­ten. Meine Eltern zogen beide separat externe Hilfe bei und wir besuch­ten ein paar Mal gemein­sam eine Fami­li­en­the­ra­pie. Ich kann mich aller­dings nicht an viel erin­nern oder daran, jene Stunden als hilf­reich empfun­den zu haben. Im Nach­hin­ein finde ich die Absicht meiner Eltern zwar gut, man braucht aber auch Glück, die passende Person zu finden; und ich war wohl auch nicht im einfachs­ten Alter, um mich auf solche Versu­che einzu­las­sen.

An das Vorge­hen bei der Sorge­rechts­wahl erin­nere ich mich aber noch gut, denn das hätte ich mir ganz sicher anders gewünscht. Meine beiden Schwes­tern und ich mussten zu dritt eine amtli­che Stelle aufsu­chen und wurden nach­ein­an­der gefragt, bei wem wir in Zukunft lieber leben wollten. Wir hatten keine klare Präfe­renz, uns war nur wichtig, dass wir als Schwes­tern zusam­men­blie­ben. Unsere Aussa­gen wurden danach aber eins zu eins meinen Eltern weiter­ge­ge­ben und die Stelle bestimmte anhand davon, dass mein Vater auszie­hen musste.

Dass wir einbe­zo­gen wurden, mag ein guter Ansatz gewesen sein. Das Vorge­hen fand ich aber emotio­nal extrem belas­tend und ich hatte meinem Vater gegen­über so ein schlech­tes Gewis­sen. Für mich fühlte es sich an, als ob wir uns gegen ihn entschie­den hätten. Ich bin der Meinung, das wäre nicht die Aufgabe von uns Kindern gewesen.

Ich hätte mir gewünscht, ohne schlech­tes Gewis­sen eine Bezie­hung mit beiden Eltern­tei­len leben zu dürfen.

Ich weiss nicht, wie es ideal wäre. Dass Kinder einbe­zo­gen werden, finde ich wichtig. Aber nicht auf diese Art. Wir hätten das als Familie bespre­chen müssen, eine Ausle­ge­ord­nung machen, so dass wir am Ende nicht das Gefühl gehabt hätten, uns gegen jeman­den zu entschei­den. Das ist sicher viel verlangt. Die Eltern sind ja in dem Moment stark mit sich selbst beschäf­tigt. Hinzu kommen der Druck der Gesell­schaft und die Erwar­tun­gen an ein bestimm­tes Fami­li­en­bild, was sicher alles nicht zu unter­schät­zen ist. Aber es gäbe sicher Lösun­gen, die alle mitein­be­zie­hen und am Ende besser für alle stimmen.

Auch hätte ich mir gewünscht, danach ohne schlech­tes Gewis­sen eine Bezie­hung mit beiden Eltern­tei­len leben zu dürfen und dass mir meine Eltern diese "Erlaub­nis" aktiv zu spüren gegeben hätten. Eltern machen es den Kindern so schwer, wenn sie schlecht über­ein­an­der reden. Und selbst wenn sie es schaf­fen, das zu vermei­den – Kinder inter­pre­tie­ren viel, machen sich eigene Erklä­run­gen, wollen nieman­den verlet­zen. So hatte ich lange das Gefühl, ich dürfe die andere Person im Gespräch nicht erwäh­nen und musste meine Erzäh­lun­gen ständig filtern. Hätten mir meine Eltern zu spüren gegeben, dass der andere Eltern­teil nach wie vor wichtig für mich sein darf, wäre das eine grosse Erleich­te­rung gewesen.

Erst als dann bei beiden neue Bezugs­per­so­nen ins Leben traten, entspannte sich alles. Ich glaube, da konnten beide endlich abschlies­sen und dem anderen gönnen, dass jeder fortan sein eigenes Leben hat. Enkel­kin­der halfen auch bei der Entspan­nung. Plötz­lich waren Dinge möglich, die sie für uns Kinder nicht tun konnten. Das ist schön – nur wäre es auch schön gewesen, wenn dafür nicht erst Enkel­kin­der hätten abge­war­tet werden müssen.

* Name geän­dert

Gesam­melte Kinder­wün­sche

  • Bitte lasst uns als Familie mitein­an­der über die Tren­nung reden.
  • Holt euch Hilfe, wenn das Reden schwer­fällt.
  • Bitte gebt uns zu spüren, dass ihr die Verant­wor­tung für eure Bedürf­nisse und Hand­lun­gen über­nehmt und das nicht unsere Aufgabe ist.
  • Bitte gebt uns das Gefühl, dass wir nicht für die Verän­de­run­gen verant­wort­lich sind.
  • Bitte lasst uns weiter­hin zu euch beiden ohne schlech­tes Gewis­sen eine Bezie­hung haben. Wir haben euch beide gern.
  • Bitte zeigt uns, dass euer Konflikt nur eure Part­ner­schaft betrifft und nicht uns oder euch als Eltern.

Unter­stüt­zung für Eltern in Tren­nung

Eine Tren­nung müssen Sie nicht alleine durch­ste­hen. Im Kanton Zürich unter­stüt­zen Sie die Kinder- und Jugend­hil­fe­zen­tren (kjz) an drei­zehn Stand­or­ten.

Mehr zu Wie die kjz Fami­lien in Tren­nung unter­stüt­zen


Lesen Sie hier alle unsere Beiträge zum Thema Tren­nung und Schei­dung von Eltern.

Medi­en­emp­feh­lun­gen zum Thema

Die Empfeh­lun­gen für Kinder und Eltern der Stadt- und Regio­nal­bi­blio­thek Uster sowie die im Folgen­den aufge­lis­te­ten Medien der PBZ Pesta­lozzi Biblio­thek Zürich sind in diver­sen Biblio­the­ken des Kantons Zürich zu finden.

Für Kinder

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    Eine Geschichte zum Lesen, Erzäh­len und Spielen über die Rechte von Kindern in einem Verfah­ren (Geschichte mit recht­li­chen Infor­ma­tio­nen)
  • Was, wenn Eltern ausein­an­der­ge­hen? | Dagmar Geisler
    Sachbilderbuch, Geschichte mit Infor­ma­tio­nen zur Diskus­sion mit Kindern ab 5 Jahren
  • Und was wird jetzt mit mir? | Schei­dung – Die besten Antwor­ten auf wich­tige Kinder­fra­gen | Jan von Holle­ben, Arne Jorgen Kjos­bak­ken, Dialika Neufeld
    Ratgeber für Kinder
  • Juri West sieht rot | Doris Meissner-Johannknecht
    Kinderroman ab 8 Jahren, thema­ti­siert die neue Wohn­si­tua­tion und den sozia­len Abstieg des Vaters
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    Geschichte zum Thema Sehn­sucht nach dem Vater, zum Vorle­sen
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Für Eltern

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  • Schei­dung | Faire Rege­lun­gen für Kinder – gute Lösun­gen für Wohnen und Finan­zen | Daniel Trach­sel
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