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Zum kjz-BeratungsangebotMysterium Teenager – Wie Elternbildung helfen kann
			
			
			        Darf Noah Geld verlangen, wenn er mir mit dem Handy hilft? Darf ich bei Ladina mitreden, wenn sie sich schminkt? Wie viel gamen ist noch normal? – Drei Fragen, die im Elternbildungskurs «Fit for Family» aufkommen. Teenies fordern heraus. Wie kann Elternbildung da weiterhelfen? Einblick in einen Kursabend der Elternbildung Kanton Zürich
In Kürze
In Elternbildungskursen lernen Eltern mehr über die Entwicklungsphasen ihrer Kinder. Theorien, Modelle und Übungen helfen, das Verhalten der Kinder besser zu verstehen und passend zu reagieren. Auch der Austausch mit anderen Eltern tut gut und stärkt Mütter und Väter.
«Noah* will neuerdings dafür bezahlt werden, wenn er mir mit dem Handy hilft. Als Lernender im Detailhandel gehöre das zu seinem Beruf», erzählt eine Mutter. Kurze Empörung in der Runde: «Du machst doch bestimmt auch gratis seine Wäsche!» Ein bisschen recht habe er ja schon auch, räumt eine andere Mutter ein. «Habt ihr schon einmal den Jugendlohn miteinander besprochen?», fragt Kursleiterin Tabea Rusch.
Eine kurze Szene zwischen den drei Vätern und drei Müttern, die heute am Kurs «Fit for Family» teilnehmen. Ihre Situationen sind alle unterschiedlich – und doch auch alle etwas ähnlich: Die Kommunikation zwischen Jugendlichen und Eltern wird anspruchsvoller, die Prioritäten unterscheiden sich mehr und mehr, der elterliche Einfluss nimmt ab.
Verhalten und Ärgernisse gewichten
Thema des heutigen Kursabends sind Freiräume und Grenzen. Wo können Eltern beide Augen zudrücken und Freiraum zugestehen? Wo sollen sie eingreifen – und vor allem wie? Die beiden Kursleiterinnen Madlaina Bezzola und Tabea Rusch arbeiten mit anschaulichen Bildern: «Eine Bauführerin kann auch nicht zehn Baustellen aufs Mal begleiten. Konzentriert euch auf zwei.»
Um Situationen zu gewichten, ermuntern sie dazu, jugendliches Verhalten gedanklich in Körbe einzuordnen: Der grüne Korb ist der grösste. Er steht für die täglichen kleinen Ärgernisse, etwa die nervig in die Ecke geschleuderten Schuhe im Flur. Diese gehören zum Phänomen Jugend dazu. Was in den grünen Korb passt, darf gekonnt ausgeblendet werden. Energiesparen ist angesagt.
	        Daneben gibt es den gelben Korb für Verhaltensweisen, die auf Dauer nicht hinzunehmen sind, aber nicht sofort eine Lösung brauchen. Etwa das ewige Chaos im Teenager-Zimmer. Was in den gelben Korb gehört, erfordert Kompromisse von beiden Seiten, wird aber besser einmal in Ruhe besprochen.
Der rote Korb ist der kleinste. Der Entscheid, was hier reingehören soll, muss wohlüberlegt sein. Denn landet etwas im roten Korb, muss eingegriffen werden. «Da lassen wir nicht locker und fordern beharrlich ein, was uns wichtig ist», führt Madlaina Bezzola aus. Ein Beispiel: Die Ausgehzeiten werden nicht eingehalten. Das gehe nicht und dürfe scharf kritisiert werden. In einem ruhigen Moment sollen die Eltern aufzeigen, warum ihnen das wichtig ist und gemeinsam mit den Jugendlichen Abmachungen treffen - auch dazu, was passieren soll, wenn diese nicht eingehalten werden.
Und macht er mal Pause beim Gamen, geht er aufs Klo und guckt Tiktok!
Mutter von Leon
Immer wieder kommen die Eltern zu Wort. Sie stellen Fragen und erzählen von eigenen Erfahrungen. «Der blosse Anblick von Leon* vor dem PC treibt mich in den Wahnsinn. Und macht er mal Pause beim Gamen, geht er aufs Klo und guckt Tiktok!» Verständnisvolles Nicken in der Runde. In welchen Korb gehört das nun? Zwiegespräche entstehen.
Die Kursleiterinnen ordnen das Verhalten ein: Bis zu einem bestimmten Grad könne Gamen durchaus zur jugendlichen Entwicklung dazugehören, ohne negative Folgen. Doch wo liegt die Grenze zum roten Korb? Und wie können Eltern reagieren, wenn sie sich Sorgen machen?
Was Elternbildung leisten kann
«Eltern wünschen sich häufig konkrete Antworten auf ihre Fragen. Da müssen wir sie manchmal enttäuschen und sagen: Das kann man so einfach nicht beantworten, es kommt drauf an …», sagt Madlaina Bezzola. «Wir können aber mit Hintergrundwissen weiterhelfen: In welcher Entwicklungsphase befindet sich ein Kind gerade? Was ist ganz normal in dieser Phase, was sogar unerlässlich? Warum bewirken Worte kaum je etwas und welche Reaktion bleibt dann noch übrig?» Dies helfe Eltern, die jugendlichen Eigenheiten einzuordnen, besser zu verstehen und das eigene Verhalten anzupassen.
Austausch hilft
Den Eltern helfe die Einordnung: «Das Verhalten meiner Jungs einmal aus anderer Perspektive zu sehen, ist schon wertvoll», sagt ein Vater. «Ich finde den Austausch mit anderen enorm hilfreich», meint eine Mutter. «Wir Eltern denken schnell, ich bin schuld, ich habe mein Kind falsch erzogen. Zu hören, dass ich nicht die Einzige bin mit diesen Problemen, ist wunderbar, wie ein Trost. Auch habe ich gelernt, wieder vermehrt auf mich selbst zu achten. Das habe ich ganz vergessen, seit ich Mutter bin.»
Ich denke tatsächlich oft schwarz-weiss.
Mutter von Noah
Ob sie denn zuhause auch einige der Inputs umsetzen können? Ein Vater erzählt, er habe die Schulferien zwischen den Kursabenden genutzt und seine Töchter zum ersten Mal die Ferien selbst planen lassen. «Wir wollten ihnen mehr Freiraum geben. Das hat super geklappt.» Als ihr Sohn wieder einmal zu spät kam, hat eine Mutter anders reagiert: «Ob es mir gut gehe, fragte er mich dann», erzählt sie lachend. Dass sie nun einen Kurs besuche, habe er schulterzuckend mit einem «Dafür ist’s jetzt eh zu spät» kommentiert. Jugendliche Provokation eben – typisch für diese Phase, heisst es im Kurs.
Der bunte Korb
Zum Abschluss kommen die Kursleiterinnen noch einmal zurück zu den Körben. Da gibt es nämlich auch noch einen vierten, den bunten Korb. Er steht für alle positiven Eigenschaften der Jugendlichen. Diese würden rund um die Pubertät manchmal Gefahr laufen, der elterlichen Aufmerksamkeit zu entgehen. «Ich denke tatsächlich oft schwarz-weiss», überlegt Noahs Mutter. «Eigentlich teilt sich Noah aber erstaunlich gerne und gut mit für einen Jugendlichen. Das ist schön.» Nach und nach füllen auch die anderen Eltern den bunten Korb. Ladina* etwa sei an ganz vielem interessiert und Leon sei neben Game- und Tiktok-Wahn auch zuverlässig und aufmerksam.
	        Mit diesen Gedanken gehen die Eltern wieder eigene Wege. Bis zum nächsten Kursabend in zwei Wochen gilt es, in Gedanken immer wieder einmal mit Körben zu arbeiten – und dabei hoffentlich möglichst bunt zu denken!
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Der Elternbildungskurs «Fit for Family» ist ein kostenloses Angebot der Elternbildung Kanton Zürich.
Was ist Elternbildung?
Kinder zu erziehen ist eine grosse Aufgabe. Angebote der Elternbildung unterstützen Sie dabei, Ihrem Kind eine gute und gesunde Entwicklung zu ermöglichen. In Kursen oder Workshops können Sie im Austausch mit Fachpersonen und anderen Eltern Fragen stellen und Neues lernen.
* Namen durch die Redaktion geändert