Tipps von Lese-Expertinnen

Was Eltern beim Vorlesen beachten können

Wie können Eltern ihren Kindern die wunder­ba­ren Welten von Büchern zugäng­lich machen? Marion Arnold, Lese- und Lite­ra­tur­päd­ago­gin, und Gina Dome­ni­coni, Exper­tin in Lese­för­de­rung, geben Tipps, worauf Sie beim Vorle­sen achten können. Für ein genüss­li­ches gemein­sa­mes Lese­er­leb­nis.

Vorle­sen ist mehr als Lesen. Wer Kindern vorliest, stärkt ihre Sprach­kom­pe­tenz sowie ihre Fähig­keit zu Empa­thie und Perspek­ti­ven­wech­sel. Auch schafft Vorle­sen Nähe und gemein­same Erleb­nisse. Dadurch stärkt Vorle­sen die Bezie­hung. Studien zeigen zudem: Kinder, denen regel­mäs­sig vorge­le­sen wird, lernen besser lesen, verbrin­gen mehr Zeit mit Büchern und haben mehr Spass am Lesen, als Kinder, denen nicht vorge­le­sen wird.

Folgen­des können Sie beim Vorle­sen beach­ten:

Tipps für klei­nere Kinder

  • Begin­nen Sie so früh wie möglich
    Ganz kleine Kinder können noch nicht so lange am Stück zuhören. Doch auch sie haben grossen Spass am Spiel mit Lauten, Geräu­schen, Worten und Stimmen und werden gerne Teil davon. Mit den passen­den Büchern ist kein Kind zu klein für Geschich­ten.
  • Stellen Sie W-Fragen
    Wer macht was, wann, wo, warum und wie? Mit diesen W-Fragen lassen Sie Ihr Kind an der Geschichte teil­neh­men. Zum Beispiel: «Wen haben wir denn hier? Ja genau, den brum­mi­gen Bären. Aber was hat der denn an? Und wo will er wohl hin?»
  • Lassen Sie das Kind mitma­chen
    Vorlesen macht noch viel mehr Spass, wenn Ihr Kind mitma­chen kann. Zum Beispiel: «Weisst du, wie ein Bär tönt?» – (Kind) «Roaaaar!» – «Und weisst du, wie er sich am Morgen gähnend streckt und reckt?»
  • Lassen Sie das Kind mitden­ken
    Kann Ihr Kind mitden­ken, regt das seine Fanta­sie an. Auch hilft es ihm, die Geschichte zu verar­bei­ten. Gleich­zei­tig erhal­ten Sie Einblick in seine Gedan­ken und Gefühle und es entsteht Austausch. Zum Beispiel: Was würdest du wohl an seiner Stelle machen? Wann hast du schon einmal etwas Ähnli­ches erlebt? Was denkst du, wie es am Ende mit den beiden weiter­geht?

Tipp für grös­sere Kinder

  • Tauchen Sie gemein­sam in die Geschichte ein
    Machen Sie Ihr Kind zum gleich­wer­ti­gen Lesepartner/zur Lese­part­ne­rin. Reden Sie über das Gele­sene und lassen Sie Raum für unter­schied­li­che Sicht­wei­sen, Ideen usw. So entste­hen weiter­füh­rende Gedan­ken und Gesprä­che. Zum Beispiel: Wie stellst du dir die Haupt­fi­gur vor? Was ist dir durch den Kopf gegan­gen bei dieser Szene? Was vermu­test du, wie es weiter­geht? Weisst du noch, wo wir letztes Mal stehen geblie­ben sind?

Tipps für alle Kinder

  • Lesen Sie nur Kindern im glei­chen Alter gleich­zei­tig vor
    Je grösser der Alters­un­ter­schied, desto schwie­ri­ger ist es, das passende Buch zu finden. Entwe­der ist es für die jünge­ren Geschwis­ter zu schwie­rig oder die grös­se­ren lang­wei­len sich. Es lohnt sich daher, Geschwis­tern separat vorzu­le­sen. So wird das Vorle­sen für alle ein schönes Erleb­nis.
  • Lesen Sie im eigenen Dialekt oder in Ihrer Mutter­spra­che vor
    Für Kinder aller Alters­grup­pen ist es ein schönes Erleb­nis, einer Geschichte in jener Sprache zu lauschen, in der Sie sich als Eltern am wohls­ten fühlen. Solange die Umstände zum Über­set­zen für Sie nicht zu gross sind, können Sie Ihren Kindern so lange Sie möchten im Dialekt oder in Ihrer Mutter­spra­che vorle­sen.
  • Hören Sie nicht auf mit dem Vorle­sen
    Hören Sie auch dann nicht auf, wenn das Kind in die Schule kommt. Denn Vorle­sen hat nichts mit schu­li­schem Lesen zu tun. Es bedeu­tet Zeit mit den Eltern alleine, Nähe, Austausch und vieles mehr. Ausser­dem ist das Lesen­ler­nen für viele nicht einfach. Deshalb ist Vorle­sen gerade dann umso wich­ti­ger – damit Kinder wissen, warum es sich lohnt und worauf sie sich freuen können. Ausser­dem hören wir bis ins Erwach­se­nen­al­ter gerne zu bei Geschich­ten.

Weitere Tipps zum Vorle­sen beim Schwei­zer Vorle­se­tag

Marion Arnold, gelernte Buchhändlerin und Lese- und Literaturpädagogin.

Marion Arnold

Marion Arnold ist gelernte Buchhändlerin und Lese- und Literaturpädagogin. 2015 hat sie sich mit dem Projekt «Leseleiter» selbständig gemacht und ist damit in unterschiedlichen Funktionen im Bereich Leseförderung tätig. Daneben engagiert sie sich im Vorstand des «Zürcher Kinderbuchpreises» sowie in der Programmkommission der Literaturfestivals «Zürich liest» und «Abraxas».

Gina Domeniconi hat Germanistik studiert und arbeitet am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM).

Gina Dome­ni­coni

Gina Domeniconi hat Germanistik studiert und ist seit 2015 Mitarbeiterin am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM im Bereich Literale Förderung. Dort leitet sie das Leseförderungsprojekt «Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy» mit Fokus auf der Erstsprachenförderung.